Freitag, 14. September 2007

Schwedische Bäuchlein und deutsche Nabelschau

Ich saß schon in langen, langweiligen Vorlesungen, in denen Professoren den komplexen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken erhellten. Die Worte, in denen wir die Welt beschreiben, formen wie wir die Welt sehen und andersherum. Die Dinge, denen wir Namen geben, sagen so viel über uns aus wie die Dinge, die wir ohne Namen lassen, weil wir hoffen, dass sie niemand bemerkt oder weil wir nicht wollen, dass sie jemand ausspricht. Das ist alles sehr tiefgründig und verworren und genau deswegen liebe ich es, über ganz kleine und unscheinbare und doch so verräterische Beispiele zu stolpern wie das folgende eines ist...

Die als freizügig geltenden Schweden kennen ein Beziehungsverhältnis, das weniger unverkrampften Völkchen die Schamesröte ins kollektive Gesicht triebe: Buksvåger (männliche Form) oder Buksvägerska (weibliche Form). Das mag auf dem ersten Blick wie die skandinavische Version von Bückschwester wirken, heißt in Wirklichkeit aber soviel wie Bauch + Schwager/Schwägerin und ist die irgendwie süße und herrlich unspießige Bezeichnung für zwei Menschen, die mit dergleichen Person geschlafen haben. So wie die Apachen Blutsbrüderschaft schließen, kennen unsere sexy Schweden Verwandschaft durch geteilte sexuelle Erfahrungen.

Es ist scheinbar auch ein Wort, das relativ oft benutzt wird, denn wie alle Worte, die oft benutzt werden, existiert eine Kurzform: das niedlich-liebevolle "Bukis".

"Grüß dich, Olaf, Inge hat mir gerade erzählt, dass du und Agnes es in der Sauna getrieben haben. Gratuliere, ich hab auch mit ihr geschlafen, damals als wir zusammen meinen neuen Ikea-Tisch eingeweiht haben. Ich schätze dann sind wir jetzt Bukis. Prost!"

So oder so ähnlich stellt man sich die Gespräche auf feucht-fröhlichen Schwedenfesten vor. Wo die gleiche Offenbarung hierzulande das Ende aller Feierlaune wäre.

Im Englischen gibt es kein vergleichbares Wort. Weder die verklemmten Briten noch die puritanischen Amerikaner kämen auf die Idee, die Existenz einer solchen Verbindung mit einem Wort auch nur anzuerkennen. Auf einer Party herauszufinden, dass man neben einer Person sitzt, die mit der gleichen Frau geschlafen hat wie du, ist ein Anlass für Komplexe und Unzulänglichkeiten und Unsicherheiten und Verfänglichkeiten. Besser den Mantel des Schweigens darüber breiten anstatt über die Gemeinsamkeit zu plauschen.

Im Deutschen haben wir ein Wort dafür, doch spricht aus dem die aus einer komplex-beladene Seele geborene Sexfeindlichkeit eines Volkes der Familienstreitigkeiten und Nachbarschaftsfehden, das im Spaß eines anderen in erster Linie Anlass zu Neid, nicht zu gemeinsamen Genuss, sieht. Das Wort lautet: Lochschwager. Obszön, erniedrigend, und voll Selbsthass.

Halt genau wie der Deutsche im Bett.

So sehr wir deutschen Spießer Clubs und Vereine mögen, wir taugen als Faustregel halt einfach nicht dazu, Gemeinschaften wie die "Gefährtinnen des Schwanzrings" oder die "Sportkameraden Klitoris E.V." zu gründen. Tut mir leid, Bukis.