Mittwoch, 29. August 2007

Wo der Hund begraben liegt

Das Thema heute gehört eigentlich zum gestrigen Nachrichtenabwasch, aber ich wollte es in einem eigenen Eintrag abhandeln. Die großen Schlagzeilen in den Staaten dieser Tage gehören nicht den griechischen Waldbränden oder dem Justiz-Skandal oder dem zweijährigem Jubiläum von Katarina oder dass den Republikanern die Mitglieder ausgehen weil alle Schwulen, gegen die sie im Wahlkampf hetzen, sich scheinbar in ihrer eigenen Partei verstecken. Nein. Die Titelblätter gehören einem mehr oder weniger namhaften NFL Spieler.

Michael Vick hat in der amerikanischen Bevölkerung eine Empörung von einem Ausmaß ausgelöst, für das andere Stars ein minderjähriges Mädchen live in der Halbzeitshow des Superbowls vögeln, das daraus entstandene Baby von einem hohen Balkon schmeißen, und anschließend die eifersüchtige Ehefrau mit einem Messer erstechen müssten und sie würden immer noch nicht annäherend den Aufschrei verursachen der Vick entgegen schlug. Wie hat der Footballstar das geschafft? Er hat Hundekämpfe organisiert. Bravo, Michael, du bist ein Riesenarschloch. Und ein saudummes noch dazu. Man legt sich nicht mit einer Nation von Tierliebhabern an. Hundeliebhaber heißen so weil sie Hunde mehr lieben als Menschen und stolz drauf sind. Ein Mensch, von dem bekannt wird, dass er Hunde zur Unterhaltung aufeinanderhetzt und grausam tötet, hat um sein Leben zu fürchten. Dabei geht die Gefahr nicht von den Hunden aus. Jetzt sind es die Besitzer, die Schaum vorm Mund haben und sich in Tollwut geifern. Damit will ich bitte nicht andeuten, dass man wütende Hundebesitzer einschläfern sollte, nur... steht die Aufmerksamkeit, die dem Skandal zuteil wird, in irgendeinem Verhältnis zur Tat oder, schlimmer noch, zu den restlichen Nachrichten, die statt mit Zorn nur noch teilsnahmslos zur Kenntnis genommen und mit einer "Ach ja, so läuft es halt in der Politik, was kann man machen" Apathie abgenickt werden? Ich mache mir keine Illusion, dass die Reaktion in Deutschland anders aussähe. Haustiere gehen einem näher als verworrene Intrigen irgendwo da oben in Washington oder Berlin oder Bagdads Green Zone. Michael Vick wird aus einem Sport verbannt werden, der keine Probleme damit hatte, Frauenschläger, Rassisten, Drogenbenutzer, und Vergewaltiger weiter spielen zu lassen. Schluss, Aus. Darauf rumzureiten, dass es nicht proportinal ist, macht keinen Spaß, weil es langweilig ist, weil ich Recht habe und weil ich weiß, dass ich Recht habe.

Lieber spreche ich über etwas, bei dem ich falsch liegen kann. Das ist viel spannender und macht mehr Sinn in einen öffentlichen Diskussionsraum zu setzen.

Thema Kampfhunde.

Mir ist bewusst, dass allein das Wort "Kampfhund" in manchen Menschen einen Widerstand provoziert wie bei mir "Killerspiele". Deswegen werde ich auf leisen Sohlen wandeln. Ich finde, Menschen die auf die Überlegung, dass Hunde gefährlich sein können, wie auf eine persönliche Beleidigung reagieren, gehören an Bulldoggen verfüttert.

Was? Was? Warum werde ich so angestarrt? Bin ich auf einen Ast getreten oder sowas? Nur weil jemand Samthandschuhe anhat heißt doch nicht, dass er einen nicht ohrfeigen darf. Es fühlt sich halt nur herrlich seidig an.

Ich habe nie so ganz verstanden, warum Hundebesitzer sich aufregen, wenn bestimmte Hunderassen unter einen Vorverdacht gestellt werden. Für mich - und ich sage das jetzt als jemand der erst vor einer Woche von einem Rottweiler das Gesicht abgeschlabbert bekam während ihm ein anderer Hund von der Größe eines Kleinwagens auf dem Schoß saß - für mich macht es Sinn, einige Hunderassen strenger zu behandeln als andere. Bei Hunden wird am deutlichsten, dass wir Tiere für alles mögliche züchten können. Wir können sie klein züchten, wir können sie groß züchten, wir können sie zur Jagd züchten oder zum Bewachen. Da scheint es logisch vom Gesetzgeber besonderes Augenmerk auf solche Hunderassen zu legen, die in der Vergangenheit für Aggressivität gezüchtet wurden.

Eine Freundin von mir hat ein perfektes Händchen bei der Hundewahl. Sie mag Hunde, die groß sind und bei deren Anblick man die wölfische Herkunft zumindest noch erahnt, im Gegensatz zu Tieren, die aussehen als hätte übereifrige Genetiker sie aus einer Ratte oder einer Wurst gezogen. Ihre Fellknäuel sind die liebsten freundlichsten Wesen, die dir jemals die Nase ablecken können. Gleichzeitig kenne ich aus dem Familienkreis mehrere Ratten und Würste, die sich so gut zu benehmen wissen wie ein Fuchs im Hühnerstall. Und ich bin absolut überzeugt, dass Yorkshire-Terrier die hinterhältigsten Wichser im Hundereich darstellen. Aber wenn so ein Handtaschenpinscher bissig wird tritt selbst ein Kleinkind nur einmal kräftig mit dem Fuß auf, MATSCH, und die Sache ist gut.

"Schuld sind die Halter, nicht die Hunde" ist so richtig wie "Nicht Gewehre töten Menschen. Menschen töten Menschen." Wie konsequent Hundefreunde diesen Ansatz zu Ende denken wollen ist offen. Wer für einen verpflichtenden Hundehalterschein eintritt, mit Backgroundchecks, Eignungsprüfung und Wartefrist, kann auch direkt zugeben, dass Hunde wie Waffen sind und so behandelt werden sollten. Dass die Mehrheit der Hundebesitzer sich in einer Interessensgemeinschaft mit Waffenhalter-Lobby und libertären Bettgefährten wohl fühlen würde ist zweifelhaft.

Nicht falsch verstehen. Hunde sind fein, auch wenn Katzen ihnen immer überlegen sein werden. Es ist toll, wenn ein Mensch für seinen besten Freund die Hand ins Maul legen würde. Solange es seine eigene ist. Aber er kann nicht das gleiche mit der Hand eines Fremden zu tun und garantieren dass das Tier nicht beißt.

Und deswegen wird eine Seite wie diese auf mich immer morbide wirken. Ich verstehe ja, was die Leute sagen wollen. Die Absicht ist gut. Aber erstens haben die Bilder keine Beweiskraft solange anderswo pädophile Onkel nebst Nichte von Familienfotos lächeln und die Standardaussage über überführte Mörder von dessen Nachbarn "Bei ihm hätte ich es am wenigsten erwartet" lautet, obwohl wir von Menschen erwarten, dass sie andere Menschen eher richtig einschätzen können als Tiere. Und zweitens... ein Foto von einem Baby neben einem Pitbull und das per Photoshop mit Sternchen verziert? Die einzige Aussage da ist: Wie zum Teufel kann man von einem Kind erwarten sich gegen einen Hund zu wehren, wenn er wild wird, wenn es sich noch nicht einmal gegen seine Eltern wehren kann, die es für ihre Zwecke instrumentalisieren?

Ich glaube in diesem Fall kann ich mich der "Es ist der Halter, nicht der Hund" Fraktion anschließen. Das ist wirklich ein Beispiel, da hätte der Hundebesitzer besser daran getan den Maulkorb sich selbst anzulegen und nicht dem Hund.

Dienstag, 28. August 2007

Endings always come too fast, they come too fast, but they pass to slow

Ich habe einen Rückstand an altem Zeugs, über das ich quatschen wollte, doch derzeit türmen sich die Neuigkeiten.

Fangen wir klein an. Mit dem einzigen Misthaufen in der Welt, auf dem kein gutes Kraut wächst. Einem Scheißberg unter dem auf wunderbare Weise bestimmte Leute Gold hervor fördern und in Sicherheit bringen und gleichzeitig die gleichen Leuten neue Kacke auf die Spitze furzen.

Zwei Artikel von Rolling Stone und Forbes geben zusammen einen guten Überblick über den Ausverkauf des Iraks an profitgeile Konzerne und warum er ungehindert von statten gehen konnte.

Es existiert eine Theorie, nach der die menschliche Zellen ständig ausgetauscht werden und alle zehn Jahre jede Zelle in unserem Körper mindestens einen Tod gestorben ist, und unsere Sünden und Fehler sterben mit ihnen, um von einer neuen Person ersetzt zu werden. Es würde einiges erklären. Dass Dick Cheney von 1994 besser wusste, was als Resultat einer Irak Invasion droht, als der Dick Cheney von einer Dekade später, hat mittlerweile die Runde in den Internets gemacht.

Weniger verbreitet ist, dass auch die 2001 Versionen von Condoleezza Rice und Colin Powell (das einzige Mitglied mit einem Gewissen in Bushs Kabinett und zufälligerweise auch das einzige Mitglied das freiwillig den Hut genommen hat) eine eine ganz andere Einschätzung bezüglich der militärischen Kapazitäten von Saddam Husseins Regime vertraten als die von 2003.

Normalerweise erben wir das Wissen unseres toten Vorgängers, aber hin und wieder geht scheinbar etwas im Prozess der Erneuerung verloren. Spekulationen besagen, dass die Zellen, die hier gestorben und nicht ersetzt wurden, Gehirnzellen waren.

Dummerweise kann das US Justizministerium nichts unternehmen, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, weil es selbst von Skandalen und Entlassungen gelähmt ist. Als Konsequenz daraus hat Alberto Gonzales seinen Rücktritt eingereicht. Nein, ich scherze nur! Er hat zwar schon seinen Rücktritt erklärt, aber das hat rein gar nichts mit der Korruption unter seiner Führung zu tun, sondern schlicht damit, dass er von den Fragen des bösen Untersuchungsausschusses Kopfschmerzen bekam. Das ist Bushs Abschiedsworten zu entnehmen, in denen er die politisch motivierten Spiele der Demokraten für die Migräne seines verdienten Schergen, ähm, Mitarbeiters verantwortlich macht. Das ignoriert die Tatsache, dass die Fragen zuletzt von Demokraten und Republikanern gleichermaßen kamen und wenn überhaupt irgendwie motiviert dann von der Suche nach der Wahrheit, aber von Bushs Verdrängungskünsten wissen wir ja seit er seine Administration von der "realitäts-basierten Gemeinschaft" abgrenzte.

Gonzales Abgang folgt dicht auf den Fersen von Karl Roves Resignation. Beide Männer legten ihre Abgänge zeitlich so, dass sie in eine Sendepause der Daily Show, Amerikas schärfster Polit-Comedy, fielen. Zufall? Natürlich. Witzig? Absolut. Aber die Kritiker können gar nicht so oft Pausen machen wie Bushs Regierung die Leute ausgehen. Und wenn wir mal annehmen, dass hinter den jüngsten hochrangigen Verlusten kein geheimer Plan steckt, an dessen Ende Karl Rove als neuer Justizminister nominiert wird, drängen sich Vergleiche zu Ratten und sinkenden Schiffen auf.

Stephen Colbert hat uns zwar beigebracht, dass die Bush Regierung nichts mit der Titanic gemeinsam hat sondern wenn überhaupt mit der Hindenburg gleichgesetzt werden sollte, doch solange sich Bush weigert endgültig zu explodieren bleibe ich noch eine Weile beim Eisberg. Nun wird in den letzten Tagen dieser republikanischen Amtszeit, in der innenpolitisch nichts erreicht wurde außer ein Zwiespalt des Landes und die einzige ehrgeizige außenpolitische Zielsetzung, der alles andere, von Bündnissen bis Sympathie, geopfert wurde, zu einem Disaster gewirtschaftet wurde, wird zunehmend klar, warum die Riege um Cheney, Rumsfeld und Ashcroft eine Handpuppe brauchten, von der Karl Rove beim ersten Treffen sagte "Das ist ein Mann, den ich zum Präsidenten machen kann". Niemand von den Machern wäre willens zusammen mit dem Schiff, das sie für ihre erhgeizigen Pläne bauten, unterzugehen. George W. Bush darf als Kapitän bis zum Schluss salutierend auf der Brücke stehen, mit dem Banner "Mission Ersoffen" im Rücken, bis ihm das kalte Wasser bis zu den Ohren steht. Währenddessen springen die Lenker und Mechaniker und Navigateure mit trockenem Pelz von Bord.

Für Alberto "Total Recall" Gonzales hat der Rücktritt vom Amt einen ganz praktischen Nutzen. In zukünfigten Verhören vor dem Untersuchungsausschuss wird das Leugnen noch leichter werden. In einer Woche wird sich Speedy Gonzales nicht mehr daran erinnern, zurückgetreten zu sein. Bald darauf wird er sich noch nicht einmal mehr entsinnen, dass er jemals Justizminister war.

"Ich kann mich nicht entsinnen, mich zu erinnern ob mir im Gedächtnis wäre irgendwann dabei gewesen zu sein dass mir gerade nicht einfällt wann ich zuletzt einmal und überhaupt ein Amt in einer Regierung gehabt hätte und der Name Bush kommt mir spezifisch im Moment nicht bekannt vor und was sie sonst fragen das ist mir derzeit nicht im Kopf geblieben und so weiter entschuldigung Herr Senator."

Koooooopfschmerzen!

Zur Auflockerung lokale Nachrichten: China hackt deutsche Computer. Ein Shock! Okay, dass moderne Spionage über den virtuellen Datenraum läuft überrascht kein Schwein außer offenbar unsere hoch kompetenten Volksvertreter und dass China groß mit dabei ist - auch logisch. Aber ich hätte nie gedacht, dass sie so weit gehen. Die Computer unserer Beamten! Ich sag' mal so: Wenn die Chinesen bereit sind, sich durch den Staub von Gigabytes und Gigabytes bestem deutschem Bürokratentext zu wühlen ... dann verdienen sie den Sieg.

Samstag, 25. August 2007

China, Tibet, Irak, Vietnam und andere verlorenen und gefundene Seelen

Die Meldungen der letzten Woche boten genug Futter, um sie über Monate zu strecken, doch ich werde sie in einem einzigem Eintrag abarbeiten. Meine Lieblingsjuwelen des Tages!

In der Schlacht darum, welche Ideologien blöder sind, politische oder religiöse, wurde im fernen Osten eine neue Front eröffnet: China verbietet buddhistischen Mönchen zu reinkarnieren sofern sie nicht die ausdrückliche Erlaubnis der Regierung besitzen.

Ja, richtig gehört. Wenn China gerade mal nicht damit beschäftigt ist, Kinder zu vergiften, uns als Fahrzeuge getarnte mobile Todesfallen zu verkaufen, oder Autos von Pekings Straßen zu verbannen (nicht weil die Autos Menschen umbringen, sondern weil rechtzeitig zu den olympischen Spielen der Himmel sichtbar sein soll), machen sie totalitär tolle Sachen, die keinem anderen Land der Welt einfallen würden, wie zum Beispiel den Prozess der Wiedergeburt gesetzlich zu regeln.

Zugegeben, da haben sie eine Gesetzeslücke entdeckt. Wenn alte buddhistische Ärgermacher, bei denen du froh bist, sie endlich los zu sein, statt in Frieden zu ruhen, in die Körper neuer junger Menschen wiedergeboren werden, möchte man als Regierung gefälligst ein Wörtchen mitreden.

Mein erster Instinkt ist über die chinesische Regierung zu lachen, weil es so weit hergeholt ist. Andererseits, das Konzept Wiedergeburt an sich ist auch schon ziemlich weit her geholt. Es ist eine Meisterleistung in Sachen Architektur des Absurden, dieser Versuch, eine absurde Idee mit einer noch viel absurderen Idee zu regeln. Das muss so ähnlich sein, wie einen zweiten schiefen Turm von Pisa auf die Spitze des ersten schiefen Turms von Pisa zu bauen.

Nur... Bei genauem Hinsehen ist es gar nicht so dumm wie es scheint. Die Handlung der chinesischen Regierung jetzt, nicht buddhistischer Glauben oder gestapelten Pisa-Türmen. Sie wollen nur sicher gehen, dass das nächste politische und geistige Oberhaupt Tibets ihren Segen hat und ihren Befehlen gehorcht. Das ist nicht sehr demokratisch, aber ein vom Volk nicht gewähltes Staatsoberhaupt das religiöse und weltliche Macht in einer Person vereint ist auch nicht ganz im Sinne der Demokratie.

Und schließlich ist die Wiedergeburt für die Mönche genauso sehr ein Politikum zur Machterhaltung, -Sicherung und –Legitimierung wie für China. Ob über die Seelenwiedererkennung nun ein Gremium von Politikern oder eine Versammlung von Mönchen befindet, was ändert das schon? Es geht um das gute alte Tauziehen. Wird die Regierung die Religion kontrollieren oder die Religion die Politik.

Der Dalai Lama ist 72 Jahre. Menschen in dem Alter treffen gewisse Vorbereitungen. Sie schreiben Testamente, sie beichten Sünden, sie reden öfter mit ihren Kindern als gewöhnlich, sie überlegen sich die Musikauswahl für ihre Beerdigung, und, wenn sie zufällig Kopf einer großen Religion, die an die Wiedergeburt glaubt, sind, machen sie sich über das nächste Leben Gedanken. Der Dalai Lama hat seit 14. Generationen Kontrolle darüber, wo und wie er wiedergeboren wird. Und die momentane Verkörperung des Dalai Lama weigert sich, innerhalb Tibets wiedergeboren zu werden, solange es in chinesischer Hand ist.

Das neue Gesetz verleiht China die Autorität, den nächsten Dalai Lama aus den eigenen Reihen zu wählen. Gleichzeitig wird es damit zu einer sicheren Wette, dass die buddhistischen Mönche die fünfzehnte Inkarnation ihres Dalai Lamas zwangsweise im Ausland suchen und finden werden, höchstwahrscheinlich einem reichen fetten Land wie Amerika.

Auf beiden Seiten geben praktische Gründe den Ausschlag. Das ist nicht anders als es bei der katholischen Konklave. Die Kardinäle sagen zwar „Benedikt wurde von Gott erwählt“, aber was sie meinen ist: „Benedikt war die beste Wahl, weil für die Kirche nach einem so langlebigem Reformator wie JP2 ein dem Tode naher konservativer Greis genau das richtige ist.“

Und deswegen setze ich darauf, dass der nächste Dalai Lama aus dem Westen kommt. Die Leute hier fressen östlicher Philosophie, Mystizismus und Medizin aus der Hand. Das ist ein Wachstumsmarkt für Einfluss den man zementieren muss. Und außerdem würde ein Dalai Lama aus dem eigenem abendländischem Kulturkreis auch in Zukunft den Fluss der Spenden aus Hollywood sichern, das der beste Finanzierer des Widerstandes für ein freies Tibet ist seit die CIA beschlossen hat, dass 1,7$ Millionen pro Jahr um eine Armee von Pazifisten auszurüsten verschwendetes Geld ist.

Von alten Mönchen die als Babys wiedergeboren werden zu einer Branche, die derzeit alles tut, das in ihrer Macht steht, um männliche Jugendliche in junge Frauen und Senioren zu verwandeln ohne dabei direkt zum Mittel der Reinkarnation zu greifen aber es würde, wenn sie könnte: Die Video- und Computerspiele Industrie will weg von verpickelten Teenagern in ihren miefigen Kellern hin zu Mädchen und Familien und Oma und Opa. Das ist der Tenor der Medien in der Berichterstattung zur Games Convention in Leipzig. Normalerweise verstehen die Nachrichtenredaktionen von RTL, ARD und Sat1 (in der Zeitung stand, Sat1 hätte alle ihre Journalisten gefeuert, aber hatte Sat1 je Journalisten???) von der Welt der Computer soviel wie Mügelner Bürger von Zivilcourage. Ich nenne da nur die lächerliche Überschätzung von Second Life, bei dessen bloßer Erwähnung jeder Nachrichtenredakteur scheinbar eine größere Erektion bekommt als ein Furry beim Anblick von Bugs Bunny in Drag, während gleichzeitig World of Warcraft weitestgehend unbemerkt genügend Menschen ansammelt um ein kleines Land zu besetzen. In diesem Fall allerdings haben sie ausnahmsweise Recht. Videospiele sind tatsächlich auf einem Siegesfeldzug heraus aus der Nische als Unterhaltung für große und kleine Kinder hin zur akzeptierten Massenunterhaltung für Alt und Jung jeden Geschlechts. Nintendo hat allein im letzten Monat EINE MILLION neuer Einheiten ihrer Spielekonsolen in die weltweiten Wohnzimmer verkauft. Ich begrüße die Entwicklung und heiße die neuen Spieler als alter Nintendofan und Gameboy der ersten Stunde herzlich willkommen und stelle mich schon einmal geistig auf den Tag ein, an dem wir vom Amoklauf eines Computerspielers hören und die Reporter nicht vom Schulhof sondern aus dem Altersheim berichten. Arme alte Großmutter, du hast einfach zu viel Counterstrike gespielt...

Und die vorletzte Schlagzeile für heute, ebenfalls zum Thema Seelenwanderung und die Zukunft der virtuellen Unterhaltung: Wissenschaftler haben einen Weg gefunden, das Phänomen der außerkörperliche Erfahrungen im Labor unter kontrollierten Bedingungen zu reproduzieren. Wir wissen von Menschen, die im Traum oder unter Betäubung standen oder dem Tod nahe waren, dass sie ein Gefühl beschreiben, ihren Körper zu verlassen und sich von außen zu sehen oder manchmal gar über weite Distanzen wandern um einen entfernten Menschen zu beobachten. Das Experiment erklärt uns bei weitem nicht alles, das wir aus Beschreibungen kennen, aber es ist ein erster Schritt, und eine verdammt coole Erinnerung, was heraus kommen kann, wenn Wissenschaft das Feld des sogenannten Übersinnlichen nicht prinzipiell ignoriert sondern untersucht, was es zu untersuchen gibt.

Zum Abschluss das Beste: Präsident Bush hat eine Hundertachtzig Grad Kehrtwende hingelegt und stimmt nun zu, dass Irak genau so ist wie Vietnam. Nur dass in seinem Vergleich der einzige Fehler in Vietnam der war, den Krieg zu beenden. Man kann hundert Witze darüber machen, aber es ist spät, ich bin müde, und außerdem bricht man allein vom Lesen der Neuigkeit in schallendes Gelächter aus.

Ha ha haaargh.

Montag, 13. August 2007

Wie weit reist Hoffnung auf dem Rücken eines sterbenden Sterns?

Heute Nacht legen wir unser Vertrauen in einen glühenden Schauer am Nachthimmel.

"Fang eine Sternschnuppe mit den Augen ein und wünsch dir was. Und ich wünsche dir, dass deine Wünsche in Erfüllung gehen", sagen sie.

Das werden sie nicht. Ich hab's probiert und ohne Erfolg. Sternschnuppen können einem keine Wünsche erfüllen. Andere Menschen können das.

Weswegen es so verdammt blödsinnig ist, über Wünsche still zu sein. So unsinnig, dass schon Kindern, sobald sie die Kerzen auf ihrer ersten Geburtstagstorte auspusten, lernen, ihre Wünsche geheim zu halten. Weil man über seine tiefste Sehnsucht schweigen soll, weil es nur zählt wenn der Wunsch durch einen schicksalhaften Zufall erfüllt wird, weil es nicht magisch ist wenn ein anderer Mensch es tut. Unsere verheimlichten Wünsche machen Feiglinge und Betrüger aus uns allen. Im schlimmsten Fall Mörder. Es gibt viele Dinge, die man totschweigen kann. Wünsche gehören dazu.

Dies ist die kleine tödliche Lüge: Wenn du jemandem verrätst, was du dir wünschst, geht der Wunsch nicht in Erfüllung. Natürlich ist es genau andersherum. Aber es fällt uns leichter an Magie zu glauben, uns ein Geschenk zu machen, als an unsere Freunde.

"Fang eine Sternschnuppe ein und wünsch dir was. Und ich wünsche dir, dass deine Wünsche in Erfüllung gehen", sagen sie, die Fremden, die Bekannten, die Freunde, diejenigen, die nichts von unserem größtem Wunsch wissen, und solche, die unseren Wunsch kennen, aber nichts unternehmen, ihn zu erfüllen.

Und so schauen wir heute Nacht zu den Sternen und wir wünschen...