Mittwoch, 27. Mai 2009

Das eigentliche Verbrechen der spanischen Inquistion? Nicht professionell genug.

Letzten Donnerstag hielt Dick Cheney, aufgestiegen aus seinem unterirdischem Verschlupf um ein Bollwerk gegen drohende Untersuchung seiner Regierung auf Kriegsverbrechen zu errichten, eine Rede, in der er die Lüge wiederholte, die auf den Fotos von Abu Ghraib abgebildete Folter durch erzwungene Nacktheit, Erniedrigung, Stresspositionen und scharfe Hunde hätte nichts gemeinsam mit der von seinem Weißen Haus abgezeichneten Folter durch erzwungene Nacktheit, Erniedrigung, Stresspositionen, Schlafentzug und scharfe Hunde.

Nun ist es so, dass Cheney in Bestform jederzeit ein erschreckendes Beispiel ist, wie man die Wahrheit mit Worten ermordet. Doch, und das tröstet, selbst ein Mann wie Cheney, dem der Euphemismus Verschärfte Vernehmung für Folter so leicht über die Lippen geht, dass Jeffrey Toobin ihm auch zutraut Tod als Verschärften Schlaf zu bezeichnen, verrät sich zwischen den Zeilen, wenn man nur aufmerksam liest. Der Herr der Finsternis spricht:

In public discussion of these matters, there has been a strange and sometimes willful attempt to conflate what happened at Abu Ghraib prison with the top secret program of enhanced interrogations. At Abu Ghraib, a few sadistic prison guards abused inmates in violation of American law, military regulations, and simple decency. For the harm they did, to Iraqi prisoners and to America's cause, they deserved and received Army justice. And it takes a deeply unfair cast of mind to equate the disgraces of Abu Ghraib with the lawful, skillful, and entirely honorable work of CIA personnel trained to deal with a few malevolent men.

Achtet auf die Eigenschaften, die Cheney wählt, um das Verhalten der CIA gegen das der sadistischen Gefängniswärter zu kontrastieren. Verschärfte Verhörmethoden sind legal, gekonnt und ehrenhaft. Das bedeutet im Umkehrschluss die Folter auf den Fotos von Abu Ghraib war: Illegal, Ungekonnt, Ehrlos.

Der Reihe nach. Illegal? Durchaus. Ehrlos? Na klar. Doch ungekonnt? Ja, schon, die Abu Graib Fotos hatten einen gewissen Redneck-Sadismus Faktor, aber warum sollte es das schlechter oder besser machen. Die anderen zwei Eigenschaften stellten immerhin passable Verteidigungen dar, entsprächen sie den Tatsachen - das Gesetz wurde in beiden Fällen gebrochen und unter welchen Umständen Folter ehrbar sein kann, darüber kann gestritten werden - aber was für ein Hirn muss man haben, um zu glauben, die Kompetenz der Folterknechte wäre ein Kriterium, das über Moral oder Immoral der Folter entscheidet. Als wäre das Schlagen von Gefangenen und versuchte Beinahe-Ertränkung mit gelegentlichen versehentlichen Todesfolgen oki-doki solange es bloß von Profis durchgeführt wird.

Nein, das Problem entsteht eben genau dadurch, dass Lynndie England und Kollegen sich Punkt für Punkt an Cheneys streng geheimes Programm der Verschärften Vernehmung hielten, abgesehen von der strengen Geheimhaltung.

Die eigentliche Schande von Abu Ghraib, in Cheneys Augen, besteht nicht in der Folter, sondern darin, dass sie von Amateuren durchgeführt wurde, die sich erwischen ließen.

Freitag, 8. Mai 2009

Tiradenalarm!

Eine Art Fortsetzung meiner Debütanten-Kolumne zum Thema Killerspiele, nur nicht als Kolumne weil ich diesmal dringend die Freiheit zum großzügigen Rumfluchen brauche.

Ich taufe die Tirade auf den Titel

DEUTSCHE POLITIKER WISSEN NICHT WAS PAINTBALL IST SOWIE BOSBACH IST EIN UNINFORMIERTER QUASSELKOPP DER SICH BEIM REDEN SELBST NICHT MEHR ZUHÖRT UND WIR BESSER AUCH NICHT!

Zunächst einmal muss ich ein Kompliment aus dem Weg räumen. Ich muss meiner Regierung dafür applaudieren, dass sie mich unzweifelhaft erinnert haben, dass sie 'ne Scheißahnung von nix haben. Da ich über das ökonomische Know-how eines Zehnjährigen mit eigenem Limonadenstand verfüge (streng genommen ist der Zehnjährige wirtschaftlich kompetenter als ich, aber das ist keine Schande. Er ist auch kompetenter als Franjo Pooth), war ich bei den ganzen Finanzspritzen und Wirtschaftsrettungspaketen der letzten Zeit gar nicht mehr in der Lage zu beurteilen, ob die unser schönes Land verwaltenden Politiker nicht vielleicht doch kompetent sind. Nein, sind sie nicht. Danke für die rechtzeitige Gedächtnisstütze.

In Ordnung. Damit ist das Positive gesagt. Kommen wir zu den Neuigkeiten, die eine Lobotomie erfordern, um sie auf angemessenem Niveau zu diskutieren:

Die Bundesregierung plant Paintball zu verbieten. Nicht bloß für Jugendliche unter 18 Jahren, sondern komplett verbieten. Bei Strafe von 5000,- Euro auf den Besitz einer Paintball-Waffe. 5000 Euro für ein Ding, das nie jemanden gekillt hat. Man kriegt absolut legal eine scharfe Waffe mit genug Munition um einen vollen Pausenhof umzunieten für 5000 Euro. So bringt man also jugendliche Psychopathen dazu, ihre begrenzten finanziellen Mittel vernünftig anzulegen.

Der Grund für das Verbot? Weil Paintball Töten simuliere. Ist das wirklich die Begründung? Wirklich jetzt echt ganz ehr-ihrveraschtmichdochnicht-lich?

Mal ganz davon abgesehen, dass die Idee so bescheuert ist, dass nur jemand, der das Wort Paintball noch nie gehört hat, darauf kommen könnte (Oh, warte mal, genau so ist es passiert? Danke ausländischer Voluntär, der einen Einblick in die Weisheit unserer politischen Ausschüsse bietet). Vergessen wir auch für einen Moment wie Paintball die Erwachsenen-Version von Kindern darstellt, die mit den Fingern aufeinanderzuzeigen und "Peng-Peng, du bist tot!" rufen, mit dem einen Unterschied dass ich im Sandkasten tatsächlich das Sterben höchstdramatisch simuliert habe und mir in einem besonders intensivem Nachspielen eines toten Mannes beim Sturz vom Klettergerüst eine Schulter anknackste.

Ich will mich gar nicht darüber aufregen, wie dumm die Entscheidung ist. Mir kocht das Blut darüber wie dämlich die Begründung ist.

Zitat der nette Herr Bosbach von der CDU:

Demnach sollen Jagdspiele wie Paintball und Laserdrome verboten, Verstöße dagegen mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro belegt werden. Bei Paintball, auch Gotcha genannt, machen die Spieler mit Farbkügelchen, bei Laserdrome mit Laserpistolen Jagd aufeinander. „Dabei wird das Töten simuliert“, begründete der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) das geplante Verbot in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

DAS ARGUMENT ERGIBT NULL SINN. Ich weiß ja, dass Menschen wie Herrn Bosbach die für Selbstkritik zuständigen Bereiche des Gehirns vor Amtsantritt durch die Nase ausgesaugt werden, doch selbst ein Mensch, der nicht weiß, was Paintball genau ist, sollte misstrauisch gegenüber der Festigkeit der von ihm vertretenen Position werden wenn er sich zu deren Rechtfertigung schwachsinnige Sätze murmeln hört wie: "Diese Spiele simulieren das Töten."

Ja und? Schokozigaretten simulieren das Rauchen, aber die sind noch nicht verboten. Und darum will ich auch bitten, denn sie sind köstlich. Das sage ich als Nichtraucher, der schon mit Super-Soakern simuliert erschossen wurde, zu Weiberfastnacht simulierte Kastrationen an unschuldigen Krawatten erlebte und weiß, dass sein Staat zusah während man einen deutschen Mitbürger simuliert ertränkte.

Sie simulieren das Töten? Ernsthaft jetzt? Kennen Sie den größten Simulator von Morden, Herr Politiker? Ja genau, die Film- und Fernsehindustrie. Als ich das letzte Mal nachschaute, war der Tatort noch nicht verboten und das deutsche Kino erhielt Millionen Fördergelder vom Staat.

Sie simulieren das Töten. Mir war bis gestern nicht klar, dass Simulieren eines Verbrechens an sich ein Verbrechen ist. Mein Gott, wenn der nächste Amokläufer seine Opfer mit einem Schwert erschlägt, weil die böse Regierung ihm die Paintball-Knarre verboten hat, mit der er sonst gemordet hätte, landen Ritterfestspiele auf Index, nicht wahr? Aber warum so lange warten. Wenn wir einen Sport verbieten, der mit falschen Waffen spielt, verbieten wir gleich alle. Zur nächsten Olympiade reist die deutsche Delegation dann ohne Fechter an.

Und was ist mit Sportschützen, Speerwerfern und Bogenschützen? Nun ja, das ist was anderes. Die schießen auf nicht-menschliche Ziele. Paintball-Spieler lernen mit Farbpatronen auf Menschen zu ballern, was anscheinend, laut Innenministerkonferenz, nicht so gefährlich ist wie zu lernen mit echten, scharfen Waffen präzise ins Ziel zu treffen.

Noch schwächer: Das Urteil ist eine reine Geschmackfrage. Es lautet nicht "Dieses Hobby ist gefährlicher als echte Waffen." Es lautet "Dieses Hobby ist vielleicht nicht gefährlich aber ich sehe keinen Grund, warum irgendjemandem erlaubt sein sollte, es auszuüben." Normalerweise braucht man einen Grund, etwas zu verbieten, nicht um etwas zu erlauben, aber vielleicht war ja an dem Tag des Beschlusses zufällig Verkerhter-Welt-Tag. Ich für meinen Teil bin kein Freund davon, mir die grauen Zellen zu tot zu saufen, aber ich belasse Erwin Huber das Recht weiterhin die Silben so zu verschlurfen wie ein Besoffener die ihn mein Ohr gelallten Versicherungen ich wäre sein bester, einziger Freund auf der ganzen Welt.

In der Killerspiele-Kolumne bat ich darum, gotcha-ähnliche Spiele legal zu halten, schon allein aus dem simplen Grund, dass sie ein nützliches Barometer bieten, die geistig gesunden Schießwütigen von den krankhaft Obsessiven zu unterscheiden. Der Kerl in ordnungsgemäßer Kleidung und Helm? Dem liegt offensichtlich viel an der eigenen Sicherheit und der seiner Mitmenschen. Der blasshäutige Freak in schwarzer Tarnkleidung irgendwo zwischen SS-Schick und Matrix? Wahrscheinlich eher aus den falschen Gründen dabei.

Stattdessen trachtet die Bundesregierung danach, alle möglichen Warnsignale für zukünftige Amokläufer auszumerzen, um uns in Hinblick auf eine notorisch schwer vorhersehbare Gefahr ahnungslos zu halten, weil sie eine Strategie vorziehen, die garantiert, dass sozial nicht integrierte Mörder sich aus allen legalen Schwierigkeiten raushalten bis sie ihren Lehrer erschießen oder aber bevor sie die Chance zum Amoklauf erhalten im Knast landen weil sie Cowboy und Indianer gespielt haben.

Nachdem amerikanische Flughafensicherheit als Reaktion auf den Schuh-Bomber Richard Reid anfingen, Passagieren zur Kontrolle die Schuhe auszuziehen, witzelte Tomas P.M. Barnett, wir sollten Reid besser alle dankbar dafür sein, dass er die Bombe nicht in seinem Arsch herumtrug. In diesem Sinne möchte ich die Herstellern von Wasserpistolen schon im Voraus vor den kommenden Wasserpistolen-Bann der deutschen Regierung warnen, wenn vom nächsten Amokläufer Jugendfotos mit Wasserpistole und Wasserbomben auftauchen. Denn das ist der letzte Schwachsinn: Ein Gesetz gegen das Spielen mit unechten Waffen wäre das erste Recht, das man verliert indem man volljährig wird.

Oder kurz gefasst: Ich habe schon mit acht Jahren auf dem Spielplatz das Töten simuliert. Ich lasse mir doch nicht von Herrn Bosbach einen Freizeitspaß verbieten, den ich seit Kindheit an genieße.

(Und dabei spiele ich gar kein Paintball)