Montag, 16. April 2007

Virginia Tech

Ich beschwere mich nicht unselten über die Bürokratie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, aber es könnte schlimmer sein.

Wenigstens hat meine Uni-Verwaltung mir noch nie eine E-Mail wie folgende geschickt:

Subject: Please stay put

Body of email: A gunman is loose on campus. Stay in buildings until further notice. Stay away from all windows.

Ich hatte vor, über das Studium zu posten. Das lasse ich für heute ruhen. Der Campus und das Studentenwohnheim werden morgen ganz besonders einladend wirken.

Donnerstag, 12. April 2007

Papst sagt: Glaubt nichts, das nicht bewiesen ist!

Anscheinend kommt der Papst in einem neuen Buch "Evolution und Schöpfung" zu Wort und versetzt die Kirche um 11 Jahre zurück in die Vergangenheit in die Zeit bevor Johannes Paul II. Evolution als "mehr als eine Hypothese" anerkannte. Jetzt ist Evolution wieder unbewiesen und wird auch ewig unbewiesen bleiben und deswegen kann wissenschaftliche Erkenntnis religiöse Wahrheit niemals verdrängen, sagt der oberste Kopf der Kirche von dem Typ mit Bart, dessen Existenz unbeweisbar ist. Bisher hat der Buchverlag nur wenige Schnipsel der Diskussion veröffentlicht, aus denen alle Newsmeldungen vom Guardian bis zum Spiegel zusammengeklebt sind, desshalb ist der volle Umfang von Benedikts Repositionierung unbekannt, aber was der Papst über eine wissenschaftliche Theorie zu sagen hat ist letzten Endes HERRlich irrelevant - doch interessant! Religion ist ein faszinierendes Feld und ihr Verteidigungsreflex wenn Wissenschaft sie mit dem Konzept von Beweispflicht konfrontiert faszinierendes Anschauungsmaterial.

Benedikt ist gesitteter als die meisten Kreationisten, selbst falls seine Kritikpunkte an der Evolutionstheorie mit denen der Fanatiker eine Seite teilen.

Papst Benedikt war einst Professor Ratzinger. Wenn er, statt von der Kanzel zu predigen, vom Podium argumentiert, geschieht das mit sanfter Stimme und in behutsamen Schritten. Der Papst behält die heiligen Puschen auch in den sekulären Hallen der Wissenschaft an, um den Lärm zu dämpfen, denn Benedikt bevorzugt für große Sachen die leisen Töne. Aber er kennt die akademischen Gepflogenheiten, und wo Papst Johannes Paul II. vor der Evolutionstheorie den Weg räumte, glaubt Benedikt mehr Raum für Gott aushöhlen zu können als sein Vorgänger.

Benedikt ist Papst und er dient einem Gott der Lücken. Es ist seine heilige Pflicht, neue Lücken zu finden, in die sein Gott schlüpfen kann. Wissenslücken gehören dazu. Religion dreht sich halt darum, Löcher mit Glauben zu stopfen bevor man sie mit Vernunft füllen kann. In der Seele der Menschen klafft eine tiefe, dunkle Leere, in die Religion wie maßgeschneidert gleitet.

Wissenschaft befasst sich auch mit dem Füllen von Lücken. Das macht sie ganz wacker. Nur hin und wieder stolpert sie auf ein Loch, in das sich Religion bereits nieder gelassen hat. Dann kloppen die Klötze sich darum, wer besser in die Form passt.

1980 befand JPII es existiere kein Widerspruch zwischen Wissenschaft und Glauben. 2007 beansprucht Benedigt Boden zurück, den sein Vorgänger verloren gab: Es gibt Bereiche, in denen muss der Glaube der Wissenschaft widersprechen, aber in keinem Punkt widerspricht Wissenschaft dem Glauben.

Wissenschaft kennt drei Arten von Fragen: 1) Fragen, die die Wissenschaft beantworten kann, 2) Fragen, die die Wissenschaft (noch) nicht beantworten kann, 3) Fragen, die die Wissenschaft nicht beantworten will. Religion unterscheidet zwei Kategorien: Fragen, die ihr wichtig sind, und Fragen, die ihr am Arsch vorbeigehen. Es wird gerne vorgeschlagen, dass Religion und Wissenschaft sich nicht gegenseitig ausschließen, weil sie verschiedene Fragen beantworten: Die Wissenschaft das Wie und die Religion das Warum.

Da ist sie wieder, die Sache mit Glauben gegen Wissen. Leute glauben, es könnte so funktionieren, aber es ist unbewiesen. In der Realität beantwortet Religion gerne und häufig Fragen zum Wie, ganz egal ob es dem wissenschaftlichen Forschungsstand widerspricht oder nicht. Religion ist daran gewöhnt, grundsätzliche alle Fragen zu beantworten, für die niemand sonst eine Antwort hat, und wenn die Kirche sich erst einmal auf eine Antwort fest gelegt hat, gibt man sie schwer auf, selbst wenn plötzlich jemand sonst eine gute, nein, bessere Erklärung anbietet. Alte Angewohnheiten sterben langsamer als Jesus am Kreuz. Wenn Religion Frieden mit Wissenschaft schließen will, ist das ziemlich klug und für Religion uncharakteristisch pragmatisch, denn auf lange Sicht zieht Religion gegen Wissenschaft in allen von der Wissenschaft gefochtenen Feldern den Kürzeren.

Gott kann freie Sitze im weiten Weltenrund warm halten. Aber sobald die Wissenschaft eine Frage beantwortet, bewegt Gott seinen fetten Arsch aus dem Weg. Wie ein Unsichtbarer so viel Sitzfleisch haben kann, begreife ich nie.

Andererseits... fettes Sitzfleisch ist ein wichtiger Überlebensfaktor für Götter. Götter gehorchen immerhin ebenfalls den Gesetze der Evolution (obwohl mir in dem Punkt weder Wissenschaftler noch Theologen zustimmen würden). Götter sind notorisch schlecht im Anpassen, und organisierte Religionen sind noch viel schlechter. Festes Sitzfleisch, um alle Probleme auszusitzen, scheint die primäre Verteidigungsstrategie.

Der Gott der katholischen Kirche ist in der Vergangenheit ziemlich gut darin gewesen, sich an die Spitze der spirituellen Nahrungskette zu setzen. Andere Götter begnügen sich, spezifische Nischen abzudecken, und sterben folgerichtig aus, als die Nischen schwinden. Wer braucht Thor, wenn wir wissen, wie Blitz und Donner wirklich entstehen? Und Ra hat seine Barke eingemottet, weil wir eine bessere Erklärung haben, warum sich die Sonne bewegt. Nicht so Jehova. Der greift sich alles, das zu haben ist, im Bestreben der größte und stärkste Gott am ganzen Block zu sein. Der Stärkste überlebt.

Deswegen ist Gott noch da, auch nachdem die Naturwissenschaft uns gezeigt hat, dass die Welt sich um die Sonne dreht und das Blitze nicht von einem altem bärtigem Mann in den Wolken geschleudert werden. Weil er nicht bloß die kleinen Nischen gefüllt hat, sondern die ganz großen Felder für sich eingenommen, aus denen Wissenschaft ihn niemals vertreiben kann oder will. Der christliche Gott ist nicht ein winziger Gott der Elemente oder der Gestirne oder der Meere. Er ist der Gott des Sinns und der Moral.

Da haben wir die andere Schranke, die Religion, unter anderem auch Benedikt, der Wissenschaft vorschiebt. Dass die Wissenschaft auf die Religion angewiesen wäre, weil ihre moralische Leitung braucht. Der Vorwurf ist, dass ohne Gott keine Grundlage für moralische Urteile existiert.

Und darauf entgegne ich, als Atheist, dass ein 2500 Jahre altes Buch ebenfalls keine gute Quelle für moralische Urteile ist.