Mittwoch, 30. September 2009

Kognitive Dissonanz im Test

A. Kämpfer der Söldnerarmee Blackwater massakrieren im Irak aus purer Mordlust eine Gruppe Zivilisten. Es gibt eindeutige Beweise, die sie belasten, und Blackwaters eigene interne Dokumente bestätigen das Blutbad. Trotzdem werden die Söldner nie vor Gericht gestellt. Auf Geheiß der US-Regierung. Der Zwischenfall sei ein bedauerlicher Einzelfall, ein Ausrutscher einiger weniger unter enormem Druck stehender Männer, die deswegen nicht verurteilt werden sollten, haben sie doch in ihrer übrigen Arbeit wichtige Dienste für den Schutz des Landes und den Wiederaufbau des Iraks geleistet. George W. Bush und Dick Cheney loben die Männer als große Patrioten.

B. Der CEO einer großen Bank wird des Betrugs in Milliardenhöhe überführt. Über Jahre soll er systematisch Bücher gefälscht, Geld unterschlagen, und den Aktionären falsche Gewinne vorgegaukelt haben. Viele gutgläubige Investoren, darunter wohltätige Vereine und unzählige Familien, verlieren durch die illegalen Machenschaften dieses Mannes ihr gesamtes Hab und Gut. Aufgrund intensiver Lobbyarbeit und großzügiger Spendenbeiträgen von Seiten der Wirtschaft in die Kriegskasse für die nächste Wahl erhält der verurteilte CEO ein präsidiales Pardon und muss seine lebenslange Haftstrafe nie antreten. Führende Finanzexperten und Firmenbosse preisen den CEO für seine Risikobereitschaft, seine Visionen, und seinen Beitrag zum Kapitalismus.

C. Ein Künstler vergewaltigt ein minderjähriges Mädchen. Er entzieht sich der gerechten Strafe und flieht ins Ausland. Als ihn die Polizei nach vielen Jahren erwischt geht ein Aufschrei der Empörung durch die Reihen derer, die ihn für sein Schaffen mit Auszeichnungen überhäuften. Kollegen aus aller Welt starten eine öffentliche Kampagne, um die Justiz davon abzubringen, den Vergewaltiger zu verfolgen. Senta Berger und die Ochsenknechts setzen sich für seine Freilassung ein.

Auswertung: Wenn sie A für gerecht halten, dann sind sie Mitglied der republikanischen Partei der USA. Wenn sie B für gerecht halten, sind sie Wirtschaftsbonze und der Grund, warum unsere Finanzwelt im Arsch ist. Sollte hingegen beim Gedanken an A und B ihr Blut kochen vor Wut angesichts solcherart pervertierter Gerechtigkeit, aber für den Künstler aus C würde sie auf die Barrikaden gehen - Glückwunsch! Sie sind ein stolzer Vertreter unserer kulturschaffenden Elite und genauso moralisch korrupt und blind bündnistreu wie Ihre schlimmsten Feindbilder. Sie wissen schon, die Feindbilder, über die Sie Ihre preisgekrönten Filme drehen.

Montag, 28. September 2009

Der dümmste Zeitpunkt FDP zu wählen

Über Nacht reißt ein Fuchs Hühner. Am nächsten Tag sperrt der Bauer einen Wolf in den Stall. Der soll die Hühner vor dem Fuchs beschützen.

Der Rattenfänger von Hameln hat soeben alle Kinder des Dorfes in die Berge entführt. Die Bürger des Dorfes ziehen aus dem schweren Schicksalsschlag eine wichtige Lehre und schwören in Zukunft prinzipiell alle Rattenfänger um ihr Geld zu prellen und außerdem überall magische Flöten zu verteilen.

Mein Haus ist niedergebrannt. Bei meinem nächstem Heim mache ich es besser und heuere gleich von Anfang an einen verurteilten Pyromanen an, der sich um den Brandschutz kümmert.

Ich weiß nicht genau, wie die FDP nach einer Wirtschaftskrise, die die Torheit eines deregulierten Marktes offenbarte, das beste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren kann, aber es fühlt sich ein bisschen so an, als hätten die Bewohner von New Orleans George W. Bush nach Katrina zum König gewählt. Das Bundestagsergebnis ist nicht vollkommen mies - Angela Merkel als Bundeskanzlerin ist besser als Steinmeier als Kanzler und ich erhalte zum ersten Mal die Gelegenheit politisch bewusst zu beobachten, wie die FDP regiert. Ich wünschte nur diese nicht unbedingt unaufschiebbare Gelegenheit käme nicht ausgerechnet an dem seltenen Tag, an dem die Wirtschaftsmächte der Welt mit vereinter Stimme nach besseren Regulierungsmaßnahmen schreien und sogar der Präsident der USA, dieses Fackelträgers der freien Marktwirtschaft, weiß, dass nur Narren glauben, Gier besäße ein Gewissen.

In weniger "I hate Mondays"-artigen Neuigkeiten: Der Euro Health Consumer Index 2009 liegt vor und zeigt Deutschland insgesamt, und insbesondere deutschen Ärzten, den Daumen nach oben. Schlüsselstellen:
1.1.4 Germany – the “Mystery Country”
In 6th place with 787 points, Germany probably has the most restriction-free and consumeroriented healthcare system in Europe, with patients allowed to seek almost any type of care they wish whenever they want it. The main reason Germany is not engaged in the fight for medals is the mediocrity of Outcomes (and “Germany” and “mediocre quality” are rarely heard in the same sentence!). This is probably due to a characteristic of the German healthcare system: a large number of rather small general hospitals, not specializing.

The “mystery” is: how is it possible to operate a restriction-free system, and not have healthcare costs run wild? As can be seen from the cost graph in Section 5.1, German healthcare costs are in the middle of the Western European countries.

Another speculative explanation: There are studies, that show that German doctors work harder; long hours and many appointments/operations per doctor per year. It is well known that hindering a German from working is difficult. Could the relatively good cost containment in German healthcare be explained simply be “German work ethic”? Unfortunately, the EHCI does not provide the answer.
Und:
Countries, where healthcare seems to develop faster than average in a direction of improved consumer friendliness are:

Germany: Outcomes scores are creeping up from the “all Yellow” a couple of years ago. Will be a real top contender, if this trend continues.
Mal abwarten, in welche Richtung es unter Schwarz-Gelb geht.

Dienstag, 22. September 2009

Schaut her, wie ich mit diesem Regenschirm einen Bären erlege

Eines der feinsten Vergnügen im Leben eines schadenfrohen Besserwissers ist wohl, wenn Menschen der gegenteiligen Überzeugung ihre Meinung kundtun, dabei etwas anderes sagen, als sie glauben zu sagen, und damit der Wahrheit näher kommen als mit ihrer eigentlichen Meinung.

Man nehme zum Beispiel folgenden Cartoon von Dana Summers für den Orlando Sentinel:


Die Botschaft dieses kleinen Bildes ist leicht zu erraten: Obama liefert seine armen Verbündeten Polen und die Tschechische Republik schutzlos dem russischem Bären aus. Er lässt sie - Achtung, mieser visueller Wortwitz - im Regen stehen! Wobei der Regen der Sabber ist, der aus dem Mund der von Obama naiv-bösartig zum niedlichen Teddy heruntergespielten pelzigen Bedrohung tropft.

Russland: Hungriger Bär. Polen & Tschechien: Hilflose Opfer. Obama: Bösewicht. So weit, so simpel die Rollenverteilung.

Das wahre, ungewollte Genie des Cartoons wird erst bei einem Blick darauf deutlich, was Obama Polen und Tschechien aus der Hand nimmt. Wodurch ist das Raketenabwehrsystem dargestellt? Ein Schild? Ein scharfes Schwert? Nö, ein pobeliger Regenschirm. Hier dekonstruiert der Cartoon sich selbst. Schützt ein Regenschirm wirklich vor einem fünf Meter hohem Bären? Wirklich? Der Grizzley in dem Bild könnte die zwei Menschlein in einem Haps verschlingen und würde nicht mal merken, ob sie einen Regenschirm hielten oder nicht. Oder, um in Dana Summers eigener Bilderwelt zu bleiben: Der Regenschirm nützt einen Scheiß gegen einen Bären, der das hier macht. Begeht Obama also ein großes Unrecht, wenn er Polen und Tschechien einen unwirksamen Schutzmechanismus wegnimmt? Wahrscheinlich nicht.

Ein überraschend subversive Wahrheit von Dana Summers, Schöpfer von solch neuartigen Erkenntnissen wie "Frauen mögen keinen Sport", "Eine CIA ohne Folter ist wie ein Pudel ohne Eier", "Lasst Palins Kinder in Ruhe!" und "Nancy Pelosi will Republikaner ermorden".