Freitag, 31. Oktober 2008

Ergänzung zum Exkurs zum Esoterischen

Ich habe die Studie schon gestern verlinkt, aber hier noch einmal die entscheidende Grafik. So funktioniert das Sprechen mit Toten:


Ein großer Teil des Erfolgs besteht aus Statistiken. Schmerzen in Brust oder Kopf stellen aus gutem Grund die erste Anlaufstelle für Vermutungen zur Todesursache dar; diese zwei Bereiche decken 90% aller Verstorbenen ab. Zwei Tipps, mit beinahe hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit richtig zu liegen, und das Medium riskiert in den meisten Fällen maximal einmal falsch zu raten. Kommt auf "Ich spüre einen Schmerz im Brustbereich" eine positive Rückmeldung vom Kunden ist der naheliegende Verdacht Lungenkrebs, sofern das Opfer rauchte (kannst du beim Kunden und somit einem engen Verwandten der verstorbenen Person eine Zigarette entdecken?), und andernfalls ein Herzleiden. Trifft "ein seltsames Gefühl im Kopf" zu, dann ist möglicherweise ein Tumor schuld, oder der Verstorbene war nicht mehr ganz klar bei sich, soll im hohen Alter ja nicht selten vorkommen.

Ein großer Teil des Erfolgs besteht aus Statistiken, das andere Geheimnis ist der gesunde Menschenverstand. Es ist auffällig, dass viele Tipps, die danebengehen, solche sind, die aus ganz logischen Schlussfolgerungen bestehen. Der Kunde ist ein kräftig gebautes Kerlchen? Nun, der Vater, dessen Geist hinter ihm steht und ihm die Hand auf die Schulter legt, spüren Sie es?, ist sehe ich einen großen Mann. Oder noch allgemeiner: Der Vater wirft noch immer einen großen Schatten auf den Sohn. Das kann man sich im Geiste so zurecht konstruieren, selbst wenn der Vater unerwarteterweise von kleinerer Statur war. Für jeden Mann, der einmal Junge war, ist der Vater immer eine überragende Figur, wir erinnern uns an die Zeit als wir Kinder waren.

Es gibt im Groben zwei Sorten von Menschen, die Kunde bei einem Medium werden: 1) Menschen, die glauben wollen, weil sie sich von den Toten eine Botschaft ersehnen, die sie von ihrer Trauer erlöst, in diesen ist der Wunsch nach Trost so groß, dass das Medium nur den geringstmöglichen Beweis erbringen muss, damit sie sich erlauben können, ihren Schmerz zu stillen. 2) Beinharte Skeptiker, die eigentlich nicht an Geister und Engel glauben, aber von einer erstaunlichen, unerklärlichen Aussage des Mediums aus den Socken gehauen werden. Aufklärung über die Methoden falscher Hellsichtiger hilft nur der zweiten Gruppe. Die erste wird glauben, allen Beweisen zum trotz.

Für die zweite Gruppe allerdings ist es mit Bildung möglich, sich gegen Ausbeuter zu schützen, so wie man auch die Zaubertricks eines Bühnenmagiers erklärt. Es braucht nur das Wissen um die Tricks, nicht das Können, das Talent, das Training, sie umzusetzen - und ja, die besten Medien sind verflucht gut, in dem, was sie tun. Ich kann dir sagen, wie der Magier die Münze aus seiner Hand in den Ärmel verschwinden lässt, auch wenn ich selbst nicht die Fingerfertigkeit besitze, es dir vorzumachen.

Eine kleine Exkursion zum Esoterischen

Angeregt von Domians mitternächtlicher Plauderrunde die im Hintergrund läuft: Ich würde nur kurz für mehr Skepsis im Umgang mit Medien appellieren. Die Ich-kommuniziere-mit-den-Toten Medien; nicht die Medien über die Marcel Reich-Ranicki schimpft. Selbst Menschen, die an Übersinnliches glauben, würden zustimmen, dass da draußen eine Menge Scharlatane rumlaufen und das zahlenmäßige Verhältnis von echten Wahrsagern zu Täuschern drastisch zu Ungunsten der ehrlichen Vertreter ausfällt. Unter solchen Verhältnissen ist Skepsis die einzig vernünftige Vorgehensweise gegenüber einer Dienstleistung, für die man gutes Geld bezahlt.

Wenn ein falsches Medium eine Aussage trifft, die eine Erklärung erfordert - viele begnügen sich damit, dem Kunden zu erzählen, was er sich zu hören wünscht, und solche erfordern überhaupt keine Erklärungen - wann immer ein Medium eine erklärenswerte Aussage trifft, folgt es bestimmten Mustern: Fischen nach Informationen, Auswerfen von Ködern wie Anfangsbuchstaben von Namen, eine Reihe von Fehlaussagen gefolgt von einer verblüffenden Offenbarung, Bezüge auf Schmuck des Verstorbenen, Todesursachen die mit Brust oder Kopf zusammenhängen. Nach diesen Mustern kann man Ausschau halten und wo immer sie auftreten verraten sie den Scharlatan.

Es ist wie mit Magiern. Sie spielen ihre Show mit Bühnenbildern, Vorhängen, Kisten, Spiegeln, Kameras, Assistentinnen, Rauch und Lichtern. Echte Magie bräuchte keine Tricks. Wäre David Copperfield ein wirklicher Zauberer, müsste er die New Yorker Freiheitsstatue nicht erst hinter einem riesigem Tuch verhüllen. Er würde einfach mit dem Finger schnippen und die Statue verschwände vor aller Augen.

Spräche die Hellseherin tatsächlich mit dem Geist deines verstorbenen Großvaters, müsste sie dann wirklich hinter Schleiern arbeiten?

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Geschichte leben

Die Sorte Meldung, die einem die Größe des Geschehens in einem kristalltränenem Augenblick klar macht:

Amanda Jones, 109, the daughter of a man born into slavery, has lived a life long enough to touch three centuries. And after voting consistently as a Democrat for 70 years, she has voted early for the country's first black presidential nominee.

Dazu der Erlebnisbericht eines Frühwählers:

For me the most moving moment came when the family in front of me, comprising probably 4 generations of voters (including an 18 year old girl voting for her first time and a 90-something hunched-over grandmother), got their turn to vote. When the old woman left the voting booth she made it about halfway to the door before collapsing in a nearby chair, where she began weeping uncontrollably. When we rushed over to help we realized that she wasn't in trouble at all but she had not truly believed, until she left the booth, that she would ever live long enough to cast a vote for an African-American for president. Anyone who doesn't think that African-American turnout will absolutely SHATTER every existing record is in for a very rude surprise.

Eine amerikanische Trilogie: Traum versprochen. Traum erhofft. Traum erfüllt.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

375 ungelegte Eier

Noch eine Woche bis Barack Obama die Wahl gewinnt. Der nächste Dienstag und eine lange Zeit danach wird dichterischen Lobpreisungen von Obama gehören. Aber in den letzten sechs Tagen bis dahin würde ich gerne den exakten Zeitpunkt erfahren, in dem John McCain die Präsidentschaft verlor. Die Liste der Verdächtigen ist zweifelsohne unkurz.

War es das starke Fundament der Wirtschaft, das Platzen der Kreditbankenblase, die erste Debatte, die zweite, die dritte, der Da, die Irrfahrt nach Washington und das Platzen des Finanzpakets, die Wahl von Sarah Palin oder Obamas Entscheidung gegen öffentliche Gelder, Troopergate, die Brücke nach Nirgendwo, die Bush-Doktrin, das Couric-Debakel, Läster-Letterman über John den Lügner, Ayers ja Wright nein, die 150.000 Dollar Garderobe ... der Name Sarah Palin taucht häufig auf und Palins Implosion alleine hätte gereicht, McCains Umfragewerte nach unten zu ziehen, aber der Kollaps von Fannie Mae, Freddie Mac und den Gebrüder Lehman verbunden mit McCains Reaktion führten zu einem Erdrutsch.

Durch die Umstände von Obamas Sieg wird der Mythos vom Triumph der Geldnot über den Rassismus (leerer Geldbeutel > leerer Kopf) fruchtbaren Boden finden. Und vielleicht ist es gut und Recht, dass John McCains zu Fall gebracht wird von George W. Bushs letztem vernichtendstem Vermächtnis - die selbstgemachte Kreditkrise hat die den Kapitalismus in einen tieferen Graben gestürzt als der Anschlag auf das World Trade, ein Angriff, vergessen wir nicht, der neben dem langfristigen Ziel unmittelbar dem Herzstück der westlichen Wirtschaft galt.

Die Oktoberüberraschung gab es dieses Jahr früher.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Die Unverfrorenheit zu träumen

Barack Obama kehrt heim zu hochfliegenden Worten.



Nur diesmal sind sie in der harten Realität verankert. Die luftigen rhetorischen Höhen brachten Obama ins Scheinwerferlicht, seitdem verbrachte er eine lange schwere Kampagne damit, Fleisch auf den silbernen Tellern zu legen, gewürzt mit dem Salz der Erde, und lernte durch die jüngste Krise mit gleicher Überzeugung und Überzeugungskraft über die Wirtschaft zu sprechen. Im Endspurt des Rennens ins Weiße Haus sind Obamas Reden der ersten Tage zurück, voller Inspiration, jetzt fest verwurzelt in ehrlichem, dunklem Boden, und somit gewaltiger denn je.

Der fließende Übergang von lebensnahen Alltagssorgen zu überschwebenden Ideal dieses Paragraphen ist stellvertretend für das Ganze:

In one week, we can choose an economy that rewards work and creates new jobs and fuels prosperity from the bottom-up. In one week, we can choose to invest in health care for our families, and education for our kids, and renewable energy for our future. In one week, we can choose hope over fear, unity over division, the promise of change over the power of the status quo. In one week, we can come together as one nation, and one people, and once more choose our better history.


Es ist leicht zu vergessen, weil es so fern liegt, dass zu dem Zeitpunkt, als Barack Obama seinen Aufstieg zu nationaler Größe begann, über den amerikanischen Traum zu reden ohne zynisch zu sein ebenso unmöglich schien wie das kleine Wort Hoffnung in den Mund zu nehmen ohne dass sich dabei die Lippen zu einem verschämten Lächeln verzogen. Aber er schaffte es trotz allem.

Träumen, Hoffen, Wünschen sind allzuleicht Klischees, doch wir müssen uns erinneren, dass nach acht Jahren Bush und den schmutzigen Lügen, die John Kerry zu Fall brachten, die Entscheidung an das Gute im Menschen zu glauben, das größte Wagnis darstellte, das ein schwarzer Mann mit muslimischen Namen eingehen konnte.

Wer weiß, was seine Präsidentschaft bringt. In vier oder acht Jahren mag Hoffnung erneut eine enttäuscht, peinlich, oder verachtungsvoll gemurmelte Phrase sein. Im Hier und Heute ist eines klar: In Barack Obamas schicksalshaft anmutender Bestimmung, gegensätzliche Standpunkte, Geschichten, Identitäten miteinander zu verschmelzen und darin ein größeres Thema zu findet, das verbindendet, liegt Amerikas letzte, beste Hoffnung, für die Welt wichtig zu bleiben.

Know Hope.

Montag, 27. Oktober 2008

Die Arroganz der Machtlosen

George Packer vergleicht in seinem Blog Interesting Times (nach dem Fluch "May you live in interesting times.") irakische und republikanische Verschwörungstheorien und stößt dabei auf den Spross, aus dem alle Verschwörungstheorien wachsen:

Wading for a few minutes through the sewage of these Web sites reminds me uncannily of the time I’ve spent having political discussions in certain living rooms and coffee shops in Baghdad. The mental atmosphere is exactly the same—the wild fantasies presented as obvious truth, the patterns seen by those few with the courage and wisdom to see, the amused pity for anyone weak-minded enough to be skeptical, the logic that turns counter-evidence into evidence and every random piece of information into a worldwide conspiracy. Above all, the seething resentment, the mix of arrogance and impotent rage that burns at the heart of the paranoid style in politics.

Da ist die Kraft hinter Verschwörungstheorien auf den Punkt gebracht. Die Arroganz des Einzelnen, er allein verfüge über den Schlüssel, die Welt zu erklären, gepaart mit der unerträglichen Hilflosigkeit, einem fremden Willen ausgeliefert zu sein. Samen und Wasser - ich bin nicht sicher, welches was ist, aber so viel steht fest: Die Saat ist furchtbar fruchtbar, und sie schlägt hässliche Triebe, ob auf den Straßen Bagdads gegen die USA oder auf National Review Online gegen Barack Obama gerichtet. Wer nicht die Macht besitzt, den Lauf der Dinge zu verändern, dem bieten Verschwörungstheorien den zweifachen Vorteil, das Undurchschaubare zu erklären und gleichzeitig das Individuum selbst in seiner Machtlosigkeit zu einem Gefühl der Stärke zu erheben. Zwar steht man gegen Kräfte, die größer sind, als man selbst, aber man ist nicht klein - denn man versteht wie diese Kräfte funktionieren, und das reicht, um sich über sie zu stellen.

Als kostenloses Extra liefern Verschwörungstheorien die Entschuldigung, warum der Kampf ihrer Verfechter scheitern muss, gleich mit. Die Gläubigen sind weise und klar und mutig, aber sie sind die Ausnahme. Der Rest der Welt ist gegen sie, weil alle anderen Menschen entweder böse oder dumm sind. Somit ist eine Niederlage niemals ein Grund, Meinungen, Schlussfolgerungen oder Vorgehen zu hinterfragen und das Ausbleiben eines Erfolges garantiert, dass man niemals ohne Schnuffeltuch auskommen muss und die Machtlosigkeit ein Leben lang hält.

Donnerstag, 23. Oktober 2008

IfritInside

Soeben habe ich also das Fazit zu einer Hausarbeit geschrieben bevor ich mit dem Hauptteil angefing. Das ist normalerweise kein gutes Zeichen, aber in diesem Fall habe ich das Gefühl genau zu wissen, was ich tue (was ich tun werde).

Die Arbeit trägt den Titel "Der Dschinn in der post-modernen Literatur - Dekonstruktion eines Wunscherfüllers" und untersucht, warum die Flaschengeister von Heute konsequent die Arbeit verweigern und was das mit Microsoft Windows zu tun hat. Eine Welt, die den Computer erfunden hat, besitzt einfach keinen Platz mehr für magische Helfer, die zuverlässig so funktionieren wie es in der Gebrauchsanleitung versprochen wurde.

Dschinns, die nicht den eigentlich bekannten Regeln gehorchen wollen, sind mittlerweile fast Klischee. Kaum ein vermeintlicher Glückspilz kriegt mehr den Satz "Und als ersten meiner drei Wünsche wünsche ich mir..." ohne vom Dschinn unterbrochen zu werden: "Wünsche? Ich erfülle keine Wünsche. Keine Ahnung, was du gehört hast, Junge, aber so läuft das nicht."

Die Dekonstruktion des Wünscheerfüllers ist tief in unsere Kultur eingedrungen, und ich meine tief. Ich meine, wenn eine post-moderne Interpretation es soweit geschafft hat, dass sie in Pornos auftaucht, hat sie es geschafft.

Nein, kein Scherz.

Und Jawohl, das Beispiel des eigenwilligen Pornodschinns erwähne ich an dieser Stelle nur deswegen, weil ich es in der Hausarbeit nicht verwenden kann.

Freitag, 17. Oktober 2008

Gottschalks Zynismus und Aspektes Hochnäsigkeit

"Es gibt Qualität im deutschen Fernsehen", dieses Zugeständnis ist Thomas Gottschalk froh, Marcel Reich-Ranicki abzuringen, allerdings nicht ohne Zusatzklausel: "Wenn man danach sucht!"

Wenn man danach sucht, gibt's Qualität freilich überall zu finden. Und wenn man gezwungen ist zu suchen, sucht man besser online. Dort ist es benutzerfreundlicher, dank Suchmaschinen, und hat höhere Aussichten auf Erfolg, denn abseits der, von Gottschalk lamentierten, 17-jährigen, die über Hunde auf Skateboards lachen, nutzen intelligente Erwachsene die Möglichkeiten des Webs um Erstaunliches auf die Beine zu stellen. Das durchaus vorhandene Angebot an hochwertigem Fernsehen ist nicht die Trumpfkarte, für die Gottschalk sie hält. Der Fakt, das auf der Menükarte auch ein Salat angeboten wird, rettet McDonalds nicht gegen den Vorwurf ein Fast Food Restaurant zu sein. Darüberhinaus passt die Entschuldigung nicht zum Vergehen.

Das ganze Dilemma der deutschen Fernsehlandschaft besteht nämlich nicht darin, dass keine Qualität zu finden wäre. Das Dilemma besteht darin, dass Anspruch und Unterhaltung streng voneinander getrennt gehalten werden. Bildungsfernsehen darf keine dummen Witze machen, aus Angst davor, das blaue Adelsblut mit dem des niederen Pöbels zu verwässern, und hirnloser Massenware ist auf Strafe verboten, einen Satz auszusprechen, der aktives Mitdenken erfordert, weil Zuschauer das TV-Gerät abschalten sobald sie das Gehirn einschalten und umgekehrt. Verstößt ein Format gegen eine dieser Regeln wird es abgesetzt ehe die Quoten veröffentlicht sind.

Die Mauer in den Köpfen zwischen Hochkultur und Gossenkultur ist eine typisch deutsche Krankheit. Beispiel Comedy. Da gibt es entweder politisches Kabarett, das vor 40 Besuchern spielt, oder klischee-dreschende Stand-Up Acts, die Fußballstadien füllen. Und dazwischen nur ganz wenige wagemutige Grenzgänger. Ausgerechnet das ignorante Hollywood-Amerika beweist regelmäßig das Gutes rauskommt, wenn man sich traut, Unterhaltung und Intelligenz zu vermischen. Immer daran denken, Shakepeare riss die schlimmsten Zoten über Fürze und Fladen in ganz England.

Es gibt so etwas wie kluge Unterhaltung und zugängliche Bildung. Es fällt schwer, das zu glauben, denn echte, lebende Vertreter dieser Gattungen sind im Fernsehen schwer zu finden. Dafür wird der Bildschirm überschwemmt mit diesen zwei Arten: langweiliges Entertainment und banale Informationen. Die Doppelzüngigkeit der Medienmacher, die mit der einen Hand Schund produzieren und sich mit der anderen Hand auf die Schulter klopfen, wann immer sie es schaffen die kleinste Ladung Qualität am Zuschauer vorbei auf Sendung zu schmuggeln, basiert auf einer einzigen Annahme: Jeder Deutsche zwischen 14 und 49 hat zwischen den Ohren nichts als Grütze und leere Luft.

Das ist der Zynismus von Thomas Gottschalk - Die Leute wollen nur Titten, Witze und Sensationen. Es fällt nicht schwer zu verstehen, wie das quotengesteuerte Fernsehen seine Macher zu Menschenfeinden erzieht.

"Ich hasse die Menschen und was ich mache, das Fernsehen, das Programm, die Zuschauer, ich hasse hasse hasse die Dummheit und die Geilheit und die Gier und die Verlogenheit und alles, das mir erlaubt, den Job zu behalten, für den ich bezahlt werde, und das Leben zu führen, das ich genieße, JA, ich verachte jede einzelne Person, die schuld daran ist, das aus mir geworden ist, was ich bin. Jeden einzelnen Zuschauer, der meine Sendungen guckt. Aber ich liebe Geld und daher werde ich weiterhin genau das gleiche tun wie bisher."

Man kann die selbstverliebten Wehklagen der Schrottproduzenten und Müllmoderatoren förmlich hören. Die Verfechter der flimmernden Hochkultur sind nicht besser. Das demonstrierte das ZDF netterweise durch die Sendung direkt im Anschluss an die Sondersendung zur Medienschelte des Literaturpapstes.

Wir sorgen für Qualität im Fernsehen, verkündete Aspekte. Und machte sich sogleich daran, absolut nichts von Bedeutung von sich zu geben. Ein Beitrag über Amazons Kindle - ein interessantes, würdiges Thema, zu dem Aspekte nur altbekannte, zehnmal vorher und fünfmal besser vorgekaute, hilflos romantische, hoffnungslos vergangenheitsverbundene, hemmungslos unkritische, herausforderungslos beschwichtigende Schwafelei hervorbrachte. Wir bekamen die volle Dosis von allem, warum Bildungsfernsehen völlig zu Recht keine höheren Zuschauerzahlen zieht: Narzisstische Anspielungen die Zeit verschwenden, nutzloses Um-den-Punkt-Gerede und Masturbieren auf die eigene, vorgefertige, niemals in Frage gestellte Meinung.

Der Zuschauer, der Aspekte einschaltet, hatte vor dem Beitrag einen Standpunkt und wusste nach dem Beitrag so viel wie vorher: "Ich mag Bücher, ja-ja, und ich mag Bücherregale aus dunkler Eiche und das Gefühl von Papier und Leder und das Geräusch der Seiten beim Umblättern. Elektronische Bücher sind was für unkultivierte Banausen."

Ein komplettes Magazin, das sich dafür preist, den Zuschauer am Ende ein bisschen schlauer zu machen als er vorher war und sie sind vollkommen blind gegenüber dem großen Versprechen des Kindle, der Grund warum elektronische Bücher die Revolution einer Generation sein könnten: Der Kindle ist nicht nur ein Buch - er ist eine ganze Bibliothek. Eine Bibliothek, die in deine Hosentasche passt, abrufbar jederzeit und von überall.

Das ist genau so seichte Plätscherware zum Einlullen nach der Arbeit und vorm Schlafengehen wie frauensuchende Bauern und superstarsuchende Blödbirnen, nur für ein Publikum, das sich für was besseres hält. Selbst wenn es anders wäre und die Kultursendung etwas wichtiges zu sagen hätte, würde sie ausschließlich eine Minderheit erreichen, weil sie Einbildung zur Eintrittskarte macht und zu sehr damit beschäftigt ist, Seele und Schwanz des Bildungsbürgers zu streicheln, anstatt die Neugier neuer Zuseher zu wecken.

Innerhalb eines Abends also die anschauliche Demonstration der Wurzeln allen Übels, warum Kultur und Quoten nicht zusammenkommen: Thomas Gottschalk hält den durchschnittlichen Zuschauer für blöd - Aspekte glaubt, der durchschnittliche Zuschauer schaut ihnen nicht zu.

Ich würde den Fernsehmachern ein Rezept verschreiben. Wäre vielleicht hübsch, es mal auzuprobieren. Ein neuer Ansatz beim Fernsehmachen: Geht davon aus, dass eure Zuschauer intelligente, erwachsene Menschen sind, deren Zeit kostbar ist.

Falls nötig, tut so als ob. Belügt euch selbst, obwohl ihr es glaubt besser zu wissen. Wartet die Ergebnisse ab. Die meisten Sendungen bekommen die Zuschauer, die sie verdienen. Wer damit zufrieden ist, an den Affen im Menschen zu appellieren, braucht sich nicht wundern, wenn seine Zuschauerschaft aus Schimpansen besteht. Und Fernsehmacher dieser Art verdienen den gleichen Respekt, den wir den Arbeitern entgegenbringen, die im Affenhaus Scheiße kehren, aber bestimmt nicht mehr.

Ganz, ganz bestimmt keine Preisverleihungen.

Samstag, 11. Oktober 2008

Das Recht zu Leben, das Recht zu Sterben

Dan Savage tritt für Menschenwürde ein:

"No mask," she said, "no pain."

Her nurse promised to give her enough morphine to deaden any pain she might feel after my mother made her choice: She would take off the mask. She would go now. I told the doctor and then ran sobbing—no longer trying to hold it together—into the waiting room to get my stepfather, my sister, and my aunt. Things were worse than they were five minutes ago. Get in here, I said, get in here now.

We said our good-byes—doesn't that sound dignified? But her mask was still on and her body still convulsing. Good-byes reduced my affable stepfather to wracking sobs; good-byes sent me and my sister falling to the floor beside our mother's deathbed. We held a phone up to my mother's ear so she could hear one of my brothers shout his good-bye over the whir and thump of the oxygen machine, while we tried desperately to get my other brother on the phone.

. . .

Then my mother was ready. The mask came off, she held tight to our hands, and the morphine went in. Her grip slackened. My mother was still alive, in there somewhere, beyond our reach. Was she in pain? We don't know. She couldn't talk to us now, or focus on us, but she was awake, her eyes open. She gasped for breath, again and again, and we sat there, traumatized, waiting for her heart to stop, waiting for the very first sound that I had ever heard—my mother's heart beating—to go silent.

. . .

People must accept death at "the hour chosen by God," according to Pope Benedict XVI, leader of the Catholic Church, which is pouring money into the campaign against I-1000.

The hour chosen by God? What does that even mean? Without the intervention of man—and medical science—my mother would have died years earlier. And at the end, even without assisted suicide as an option, my mother had to make her choices. Two hours with the mask off? Six with the mask on? Another two days hooked up to machines? Once things were hopeless, she chose the quickest, if not the easiest, exit. Mask off, two hours. That was my mother's choice, not God's.

Did my mother commit suicide? I wonder what the pope might say.

I know what my mother would say: The same church leaders who can't manage to keep priests from raping children aren't entitled to micromanage the final moments of our lives.

. . .

If religious people believe assisted suicide is wrong, they have a right to say so. Same for gay marriage and abortion. They oppose them for religious reasons, but it's somehow not enough for them to deny those things to themselves. They have to rush into your intimate life and deny them to you, too—deny you control over your own reproductive organs, deny you the spouse of your choosing, condemn you to pain (or the terror of it) at the end of your life.

The proper response to religious opposition to choice or love or death can be reduced to a series of bumper stickers: Don't approve of abortion? Don't have one. Don't approve of gay marriage? Don't have one. Don't approve of physician-assisted suicide? For Christ's sake, don't have one. But don't tell me I can't have one—each one—because it offends your God.

Fuck your God.

Solange wir nicht selbst entscheiden dürfen, wie wir sterben, leben wir nicht in völliger Freiheit. Kein Staat der Welt hat das Recht, einem Menschen einen würdevollen Tod nach eigenem Willen zu verweigern.

Was das religiöse Argument anbelangt: Wem gehört mein Körper? Mir oder Jesus Christus? Freier Wille lautet das Zauberwort, nicht wahr? Haltet eure Bibel aus dem Gesetz meines Heimatlandes heraus. Eure ganze Theologie ist wertlos wenn ich nicht die Wahl habe mich gegen Gott zu entscheiden und meine unsterbliche Seele ins Höllenfeuer zu verdammen.

Menschenwürde ist keine Leihgabe eines höheren Wesens, kein geborgtes Gut, das jederzeit entzogen werden kann. Sie ist in uns, unveräußerbar, unser einziger innerer Besitz, von der Geburt bis aufs Sterbebett.

Freitag, 10. Oktober 2008

This is what they'll say of him: He started the fire. And he didn't fight it.

Wut ist das zweite Gesicht von Furcht. Und die Partei, die acht Jahre lang durch das Säen von Furcht Wahlsiege einfuhr, bleibt am Ende als Ernte nur Zorn. Zorn, der volle Kontrolle über die Gesichtsmuskeln der religiös-rechten Meute übernommen hat und eine hässliche Fratze zeigt: Sie rufen Barack Obama einen Terroristen, einen Landesverräter, einen Nigger, einen Kommunisten und sie geifern offen nach dem Tod des am meisten von einem Attentat gefährdeten Mannes der Vereinigten Staaten, dem wahrscheinlichen ersten schwarzen US-Präsidenten. John McCain und Sarah Plain widersprechen der Meute nicht. Bestenfalls dulden sie stillschweigend, schlimmstenfalls fachen sie bewusst an. Das ist was von den republikanischen Präsidentschaftshoffnungen übrig bleibt: Volksverhetzer und Hassstifter.

Misstrauen, Panik, Rufmord sind die Waffen des sterbenden Soldaten.

Der Plan hat keine Aussicht auf Erfolg. Er ist doppelt moralisch bankrott, weil McCains Kampagne die Gefahr für Obamas Leib und Leben in Kauf nimmt, obwohl sie selbst nicht glauben, dass das Spielen mit Furcht und Hass ihnen den Sieg bringen kann. Wo dann ist der Vorteil, wo ist der geringste Krümel eines Nutzens, der erlauben würde, diese abartige Demagogerie gerechtfertigt zu nennen geschweige denn verantwortungsbewusst?

John McCains über Jahrzehnte gehegter Ruf als ehrlicher Streit für Gerechtigkeit ist verdorben, ein Opfer von McCains eigener Machtgier und Blindheit. Dies ist McCains letzte Chance, das Richtige zu tun. Vorzutreten und "Stop" zu sagen. "Stop, das geht zu weit. Barack Obama ist ein ehrenwerter Mann. Er ist mein politischer Gegner - Er ist nicht unser Feind. Er liebt Amerika wie ich Amerika liebe und wie ihr Amerika liebt."

Wenn er jetzt nicht spricht, wird John McCain nicht als Opfer in die Geschichte eingehen, sondern als Täter.

Montag, 6. Oktober 2008

Emannzipation

Ein leichter Weg für Frauen so viel zu verdienen wie Männer:

Schilt and Wiswall found that women who become men (known as FTMs) do significantly better than men who become women (MTFs). MTFs in the study earned, on average, 32% less after they transitioned from male to female, even after the authors controlled for factors like education levels. FTMs earned an average of 1.5% more.

Mann-zu-Frau Transsexuell sind hingegen gut beraten, das Geld für die Operation vor dem Eingriff zu verdienen. Denn nach einer 1/3 Gehaltskürzung können sie die OP ganz bestimmt nicht mehr bezahlen.

Donnerstag, 2. Oktober 2008

Nichtraucherschutz

Das Vereinigte Königreich führt als eines der ersten europäischen Länder grausame Bilder auf Zigarettenpackungen ein. Ausgehend von den Erfahrungen mit Warnaufklebern und Kneipenverbot ist es nur eine Frage der Zeit, bis Deutschland dem Beispiel folgt.

Können wir offen reden? Ich warte gespannt darauf, dass wir die Anti-Nikotin Gesetze zum Standardvorgehen gegen alle gesundheitschädigende Produkte machen. Die Möglichkeiten für Motive sind endlos. Wo sind die Fotos von 200 Kilo Schwabbelärschen und speckigen Blubberbäuchen auf Chipspackungen? Von offenen Operationen an fettverstopften Herzaterien auf der McDonalds Tüte? Von einer an der Windschutzscheibe zerschmetterten Fußgängerleiche auf der Bierpulle? Wenn wir schon dabei sind lassen wir P.E.T.A. die Fleischtheke im Supermarkt mit Collagen von Tierkadavaern schmücken und aus Fairness gegenüber Abtreibungsgegnern geht die Pille nur noch mit Aufklebern von getöteten Föten über die Apotheke.

Nun?

Ich verstehe doch richtig, dass es nicht darum geht, die Menschen zu informieren, sondern darum, es ihnen unmöglich zu machen, wohlbekannte doch unangenehme Fakten beim Einkaufen aus dem Gedächtnis zu verbannen. Denn Raucher sind informiert. Sie haben die Möglichkeit, sich über die Folgen von Rauchen aus vielen verschiedenen Quellen zu informieren. Das ist alles, das Demokratie verlangt: Die Möglichkeit, informiert zu handeln. Ach ja, und die Freiheit, dass zwei Menschen aus ein und derselben Information zwei verschiedene Schlüsse ziehen. Freiheit bedeutet die Freiheit, schlechte Entscheidungen zu treffen. Denn die Freiheit, nur gute Entscheidungen zu treffen, ist überhaupt keine Freiheit.

Als ein erwachsener Mensch, der in seinem Leben nie einen einzigen Zug von einer Zigarette genommen hat, ist es Zeit die Grenze zu ziehen: Raucher haben ein Recht auf eine persönliche Entscheidung. Und ich als Nichtraucher habe das Recht, beim täglichen Einkauf vorm Terror durch pornographische Abschreckbildchen geschützt zu werden.

Über die Bedeutung unregelmäßiger Bloggertivität

Häufige Einträge sind meist ein Anzeichen dafür, dass ich an einem Text sitze, der sich dagegen sträubt, geschrieben zu werden, und ich das aufsteigende schlechte Gewissen beruhige, indem ich blogge.

Gestern kehrte eine verloren geglaubte Geschichte zu mir zurück.

Lange Stillephasen sind gute Omen.