Mittwoch, 9. Januar 2008

Aufatmen Amerika. Du bist gerade noch so an einer goldenen Zukunft vorbeigeschrammt.

Ich trinke nicht, wenn ich am nächsten Morgen mit einem schönen dröhnendem Kater aufwachen will. Ich schaue Präsidentschaftsvorwahlen.

Am Tag danach ist die große Depression nicht ganz abgeklungen, aber man bemüht sich um Perspektive. Die besteht, je nachdem auf welcher Seite man steht, aus bodenloser Übertreibung oder optimistischer Schadensbegrenzung.

Auf der Clinton Seite feiert man einen Sieg in letzter Minute als hätte man nicht vor einem Monat noch 20% in Umfragen vorne gelegen und interpretiert einen Moment der Schwäche kurzerhand zu Hillarys Entdeckung ihrer eigenen Stimme um und tut als wäre "Gefühle zeigen" nicht die neueste von den Wahlkampfberatern kalkulierte Strategie, Wähler zu gewinnen, nach den Fehlschlägen von "Erfahrung! Erfahrung! Erfahrung!" und "Ich bin die Kandidatin für Veränderung! Bitte ignoriert die Tatsache dass im Falle meiner Präsidentschaft die Macht über das Land seit zwanzig Jahren in den Händen von zwei Familien liegt".

Auf Seiten der Barack-Bewegung wird sich die Enttäuschung mit Erklärungen schön geredet. New Hampshire ist der weißeste Staat der USA, New Hampshire ist den Clintons und der alten Elite der demokratischen Partei stärker verbunden als die verbliebenen Staaten, New Hampshire ist voll von alten gefühlsdöseligen alten Weibern, die noch einmal eine Frau im höchsten Amt des Landes sehen wollen, bevor sich zu den Spinnweben zwischen den Schenkeln die Spinnweben zwischen den Gehirnlappen gesellen. New Hampshire war von Anfang an der am schwierigsten zu gewinnende Staat für Obama und vor einem Monat noch hätte niemand zu träumen gewagt, Hillary dort ein spannendes Kopf-an-Kopf Rennen zu bieten. Man hätte es eigentlich von Anfang an besser wissen sollen.

Hier die Fakten: Obwohl Obama zwei Prozentpunkte hinter Clinton lag, hat er einen Delegierten (die Leute, die am Schluss die Stimmen für ihren demokratischen Kandidaten in den Pott werfen) mehr gewonnen als Hillary. Die gleiche Anzahl, die er bei seinem Sieg in Iowa mehr hatte als Hillary.

Nach den ersten zwei Staaten steht es damit +2 für Obama.

http://edition.cnn.com/ELECTION/2008/primaries/results/scorecard/

Schwieriger für Obama ist, dass Hoffnungen nicht eingelöst wurden. Führungen von bis zu 17% in Meinungsumfragen 24 Stunden vor der Wahl schürten große Erwartungen. Zu große. Der Sieg blieb aus. Die Enttäuschung, Enttäuschung überhaupt, läuft der treibenden Kraft von Obamas Geschichte entgegen. Die Herausforderung wird sein, den Schwung aus Begeisterung und Freude und Inspiration trotz des ersten Rückschlags in das Land zu tragen, während Clinton die Geschichte von der magischen Wiederauferstehung weiterspinnt und die Fäden aus Obamas Hoffnungs-Teppich klaut.

Eine persönliche Bitte hätte ich an der Stelle: Hillary darf sich nicht für ein Comeback feiern lassen. Du warst bis vor sechs Tagen Spitzenreiter der Demokraten und in sämtlichen Umfragen führend und hast dich selbst seit mehr als einem Jahr als die "unausweichliche Kanidatin" vermarket. Es ist kaum eine Woche her, da wurde erwartet, dass du New Hampshire spielend leicht gewinnst, anstatt mit Ach und Krach an einer Blamage vorbeizuschlittern. Du hattest kein Comeback, du hast ganz knapp die seit Monaten von dir selbst gesteckten Erwartungen erfüllt. Wenn ein Schiffskapitän seine Passagiere immer wieder beruhigt, dass sie absolut auf direktem Kurs Richtung Südsee sind, und dann das Ruder herum reisst kurz bevor er einen arktischen Eisberg rammt, darf er sich im Anschluss nicht als weltbester Navigator hochleben lassen. Zwar ist es wenig verwunderlich, wenn Hillary Clinton den Mythos ihres Mannes zum Sieg reiten will, allerdings, bitte CNN, als Nachrichtensender müsst ihr nicht in das Lied einfallen.

Journalisten plappern keine Geschichten nach. Sie sollen sie auseinander nehmen.