Mittwoch, 23. Dezember 2009
Ein Plädoyer für die Wii
10 Gründe Warum Wii Würdig Ist
Ich bin kein Zocker. Ich bedarf keiner unnachgiebigen Diät von einem Spitzenspiel per Monat, oder einem neuen Titel per Woche. Zehn Spiele, die das Hobby in seiner Fülle zelebrieren, die Grenzen des Mediums ausloten, Innovationen wagen und Revolutionen starten, und zu denen ich Jahre später mit der gleicher Freude zurückkehre, die ich verspürte, als die Disc zum ersten Mal in Laufwerk summte, sind mir über die Lebenszeit einer Konsole gerechnet mehr als genug. Nicht dass ich es im Einzelfall nachgerechnet hätte, aber mich würde überraschen, wenn die meisten Konsolen auf zehn Spiele kommen.
Hier die Liste der Gründe, warum die Wii Next Generation-er als die Next Generation ist.
1. Wii Sports
Wii Sports begann als Controller-Demo, bevor Nintendo feststellte, dass geladene Pressevertreter soviel Spaß am Spiel fanden, dass man beschloss, Wii Sports jeder verkauften Nintendo Wii beizulegen. Von dort an traten Wii und Wii Sports ihren Siegeszug um die Welt an. Wii Sports ist eine erstaunliche Errungenschaft: Der sehr beinahe grafisch unaufwendigste Multimillionenseller seit Pong mit dem wahrscheinlich astronomischsten Verhältnis von in die Entwicklung investierten Dollars zu eingespültem Vermögen schnitt in die öffentliche Wahrnehmung wie zuvor höchstens die größten Kassenschlager Hollywoods. Das erste Videospiel, das bei den Oscars auftrat. Wii Sports ist Wiis erster Proof of Concept und wäre es der letzte geblieben, wäre doch nicht mehr nötig gewesen, um Nintendos waghalsigen Sprung vorwärts zurück auf Anfang zu rechtfertigen.
2. Pro Evolution Soccer
Es gibt kein besseres Beispiel für das, was ein Wii Spiel darstellen sollte, als Pro Evolution Soccer. Angefangen mit der 2008 Edition der jährlich neu erscheinenden Fußballsimulation stellte Konami ein Team zusammen, dass ausschließlich für die Wii entwickelte und die Freiheit besaß, etablierte Konventionen des Genres über Bord zu werfen, wo sie nicht länger passten oder die Wii bessere Lösungsmöglichkeiten bot. Zu einer Zeit als Fußballspiele auf anderen Konsolen stagnierten, baute das PES Wii Team einen völlig neuen Ansatz um das Potential der Wii Steuerung. Pässe durften, dank dem wie ein Mauszeiger benutztem Cursor, beliebig in den freien Raum platziert werden, nicht-ballführende Spieler wie Männchen in einem Echtzeitstrategiespiel in bessere Position gebracht. Aus einem Zweikämpfe der Superstars betonendem Action-Spiel wurde über Nacht die realistische Abbildung eines Teamsports in allen Finessen des Zusammenspiels und des Rasenschach-artigen Verschiebens von elf Figuren in die von elf anderen Figuren gelassenen Lücken. Die Entwickler von Pro Evolution Soccer für die Wii vollbrachten, was für viele andere Sportarten und Spielgenres hätte vollbracht werden können, aber wenige wagten. Sie erfanden das Spiel neu. PES bietet ein einzigartiges Spielerlebnis, das so nur auf der Wii möglich ist.
3. Super Mario Galaxy
Mario Galaxy ist ein fantastisches, spaßsprudelndes, ideenschäumendes Abenteuer in einer bunten, quietschfidelen und schwindelerregenden Welt. Es ist ein ungetrübtes Vergnügen und das Beste, das ein Videospiel sein kann. Und es existiert als perfekte Erwiderung auf die oft geäußerte Behauptung, die Wii hätte visuelle Weiterentwicklung und altbewährte, absolut fehlerfrei funktionierende Steuerungsmöglichkeiten zugunsten einer neuen, unausgegorenen Bewegungssensorentechnik aufgegeben. Mario Galaxy ist ein Videospiel für Fans von Videospielen. Die Steuerung ist klassisch, der Gebrauch der Wii Remote Features minimal, die Grafik eine Traumlandschaft in leuchtenden, klaren Farben. Es sieht nicht weniger hübsch aus weil es auf der Wii ist, und es ließe sich auf PS3 und XBox 360 kein Stück besser steuern.
4. Grand Slam Tennis
Tiger Woods PGA Tour 10 war eines von zwei Dritthersteller-Produkten denen zur Veröffentlichung von Nintendos verbesserter 1:1 Bewegungsübertragung der neue Remote-Zusatz beilag. Das andere Spiel war Grand Slam Tennis. Bei beiden handelte es sich um Produkte von Electronic Arts und bei GTS hat sich EA ganz EA-untypische Mühe gegeben, ein neues, für die Wii maßgeschneidertes und mit Leckerli liebevoll zugestopftes Franchise aus dem Boden zu stampfen. Das Wii Publikum erhielt Roger Federer und Rafael Nadal die gegen Legenden wie Boris Becker und John McEnroe antraten, einen Karrieremodus, in dem man einen eigenen Spieler erschuf, ihn mit einem Tennisstil und Stärken und Schwächen ausstattete und ihn Markendesigner Outfits einkleidete, und das Debüt von Wimbledon in einem Videospiel. Der Online-Modus litt an schlechtem Balancing zwischen vorgefertigten Profis und selbsterstellten Charakteren und zwischen Serve and Volley Spielern und allen anderen Stilarten, doch die Formel von GTS ging auf. Spiel, Satz und Sieg und andere Klischees. EA lieferte eine noch nie dagwesene Tennissimulation, die den Spieler auf den Platz versetzte, seine Schläge von den Schwüngen der Fernbedienung ablas, ihm erlaubte die Bälle genau dort zu platzieren wo er sie haben wollte und ihm dadurch sowohl die Genugtuung eines gekonnten Longline Winners und die Höllenqual eines unforced errors erleben ließ und ganz nebenbei den ein oder anderen glänzenden Schweißtropfen auf manch knallrote Stirn trieb.
5. Tiger Woods PGA Tour 10
Ich habe Tiger Woods PGA Tour 10 nicht gekauft. Aber wie ich hörte, soll es besser sein als Grand Slam Tennis. Lasst Euch also nicht abhalten, die Platzierungen von PGA und GTS zu tauschen, falls ihr das Spiel, das Wii Sports Golf ersetzte, dem Spiel, das auf Wii Sports Tennis aufbaute, vorzieht.
6. Mario Kart Wii
Die Mario Kart Serie ist die Definition von Spaß und Schadenfreude, und Mario Kart Wii ist der beste Teil der Serie. Besser als Mario Kart 64. Besser als Mario Kart Double Dash. Besser als das heiß gepriesene Mario Kart DS. Die Essenz pursten, reinsten, herzerquickendsten Vergnügens ist so frisch wie beim Erscheinen des allersten Mario Karts im Jahre 1993, als ich und mein Bruder, 11 und 9 Jahre alt, und Freunde die Rennbahnen des Pilzkönigreichs in chaotische Schlachtfelder verwandelten, Schildkrötenpanzer in rauchenden Knalleffekten explodierten, Blitze vom Himmel uneinholbar Führende in den Kopf trafen und Klempner das Fliegen lernten. Die Steuerung durch ein Plastiklenkrad, in das man die Wii Fernbedienung einsetzt, und dann wie ein echtes Kartlenkrad zum Steuern seiner virtuellen Karosse herumreißt und dreht, ist ein Hauptgrund, warum die Mario Kart Mischung wieder aufgeht, erlaubt sie Nintendo doch, noch mehr als je zuvor, Spieler egal welchen Alters und Erfahrung vor die Konsole zu locken und in ein Kräftemessen zu verstricken, in dem jeder Gelegenheit erhält, das triumphale Gefühl eines gegen alle Wahrscheinlichkeiten und Widerstände der besten Freunde errungenen Sieges zu genießen, aber genauso auch die Schmach binnen Sekunden vom strahlenden Gewinner zum Träger der roten Laterne zu schlittern. Trotz dieser uneinschüchternden Einsteigerfreundlichkeit und dem generösen "Jeder kann gewinnen, die besseren nur ein wenig öfter" Geistes der Serie, bewahrt Mario Kart ein hohes Herausforderungslevel für den geübten Spieler und für solche Anfänger, die sich an schwierigeren Kursen messen wollen, nachdem sie einmal gelernt haben, wie man eine flotte Gummispur auf dem Parcour hinterlässt.
7. New Super Mario Bros. Wii
(wird ergänzt wenn ich meine Kopie des Spiels aus dem Weihnachtspapier gerissen und bis ans Ende durchgespielt habe, vorab nur soviel: Mario ist das platonische Ideal eines Videospiels.)
8. The Next Legend Of Zelda
Reserviert für Links erstes von Grund auf für die Wii entwickelte Abenteuer. Miyamoto Erbarme Dich!
9. My Sims
My Sims fände keinen Platz auf einer Liste der zehn besten Spiele auf der Wii. Oder der besten zwanzig. Oder der besten dreißig. Selbst die Top 40 wären wackelig. Dafür besitzt es zu viele Mängel und zu wenig Qualität. Es ist ein Spiel über Kreativität, das den Spieler zwingt, monotome Arbeiten zu erledigen. Der nachhaltige Verdienst von My Sims lag darin zu zeigen, dass die Wii Fernbedienung + Nunchuck Kombination erlaubt, nicht nur Arten von Spielen zu steuern, die mit einem klassischem Controller nicht möglich wären, und sie so gut zu steuern wie mit einer Computermaus, sondern sie sogar besser zu steuern als mit der Maus. Der Möbelbastelmodus von My Sims wäre mit einer Maus weder so kinderleicht zu bedienen, noch so genugtuend taktil, wie mit der Wii Konfiguration.
10. A Game I Haven't Played (Yet)
Mir fallen eine Reihe Titel ein, die ich nicht gespielt habe. De Blob, Muramasa, Boom Blox, Lost Winds, Zack & Wiki, Metroid Prime 3, Little King's Story, World of Goo. Jedes der genannten Spiele könnte einen Platz in dieser Liste verdient haben, sehr wahrscheinlich sogar weiter oben als auf zehnten Platz. Nummer 10 ist ein Platzhalter, für großartige Spiele, die übersehen wurden, und - da wir bei weitem nicht am Ende der Lebensspanne der aktuellen Konsolengeneration angelangt sind - für großartige Spiele, die noch kommen werden.
Dienstag, 22. Dezember 2009
Es waren einmal... Meisterliche Anfänge
Es geht um Anfänge und die wichtige Rolle, die sie in zwei Meisterwerken sehr unterschiedlicher Art spielen.
Star Wars: A New Hope eröffnet mit dem Blick auf ein Raumschiff der Rebellen das von einem imperialem Sternenzerstörer verfolgt wird. Die Sicht auf das Rebellenschiff wird vom Sternenzerstörer verdeckt noch ehe es im schwarzen Nichts des Alls verschwinden kann. In einer einzigen Einstellung lernen wir nicht nur, dass die Rebellen auf der Flucht sind und das Imperium der Aggressor ist, dem Zuschauer wird vor allem das Kräfteverhältnis zwischen den Helden und den Bösewichten drastisch vor Augen geführt: Das Rebellenschiff ist winzig - Der imperiale Sternenzerstörer ist riesig. Atemberaubend riesig. Lächerlich riesig. Es vergeht schockierend viel Zeit ehe er sich in ganzer Länge ins Bild geschoben hat und den Zuschauer bei Ansicht seiner Rückseite erleichtert aufatmen lässt. Dass der Sternenzerstörer sich von oben nach unten ins Bild schiebt ist eine bewusste, visuelle Entscheidung der Filmemacher. So drückt sein massiges Gewicht auf den Rebellenkreuzer und den Planeten und die Sterne, die für wenige Augenblicke allein und friedlich im Raum schwebten. Nach 40 Sekunden Film, in denen kein Wort gesprochen wird, wissen wir: Das Imperium ist ein Unterdrücker und sein Arm reicht lang und weit.
Super Mario Bros. etablierte das Genre des Jump'n'Run Spiels. Das grundlegende Konzept besteht darin, dass der Spieler gewinnt, indem er von links nach rechts läuft und über Gegner hinweg springt. Der erste Bildschirm, den der neue Spieler zu Gesicht bekommt, zeigt Mario am linken Rand stehend und eine weite offene blaue Fläche rechts von ihm. Ohne dass dem Spieler eine ausdrückliche Anweisung erteilt werden muss, bewegt er sich nach rechts in die freie Fläche und lernt den ersten Grundbestandteil des Konzepts.
Nach den ersten vorsichtigen Schritten ist der Spieler mit einem neuen Anblick konfrontiert. Einem in der Luft schwebendem Fragezeichenblock und einem fies dreinschauendem Etwas, das sich auf ihn zubewegt. Wenn der Spieler in das fies dreinschauende Etwas rennt, stirbt er und verliert einen Versuch und hat gelernt, dass Wesen, die sich auf ihn zubewegen schlechte Nachrichten sind. Man beachte, dass der erste Gegner, dem der Spieler begegnet sich von rechts nach links bewegt, während Marios Ziel ist, von links nach rechts zu kommen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Widersacher. Fragezeichenblöcke hingegen sind Verbündete. Sie enthalten für den Spieler nützliche Gegenstände. Das Fragezeichen soll ihn neugierig machen, was sich im Block verbirgt. Wenn das nicht reicht, ist der erste Fragezeichenblock im Spiel so platziert, dass die Chance besteht, dass Mario beim Versuch über den Gegner zu springen, mit dem Kopf an die Unterseite des Blockes stößt und eine Goldmünze erhält. Der Spieler lernt: Wenn ich von unten gegen Blöcke springe passiert etwas. Und wenn der Spieler Glück hat landet er, dadurch dass sein Sprung durch das Stoßen an den Block verkürzt wird, auf dem Kopf des Gegners, der dadurch besiegt wird. Der Spieler lernt: Ich schalte Gegner aus, indem ich auf sie drauf springe. Die Sprungtaste ist Marios Methode mit der Spielwelt zu interagieren.
Das nächste, das den Spieler erwartet, ist eine Reihe von Blöcken. Gegen die Ziegelsteinblöcke zu springen richtet nichts aus. Aber aus einem der vertrauten Fragezeichenblöcke kommt ein Fliegenpilz. Das ist neu. Zuerst bewegt der Pilz sich von links nach rechts, auf der Blockreihe entlang, doch dann fällt er nach unten und läuft gegen die grüne Röhre. Und ändert die Richtung. Plötzlich bewegt er sich auf den Spieler zu (die Richtungsänderung beim Treffen auf Röhren wird später im Spiel von Gegnern und von Schildkrötenpanzer, die Mario als Waffe werfen kann, kopiert), von links nach rechts. Das könnte schlechtes bedeuten. Bisher haben sich nur Feinde auf den Spieler zubewegt. Und Fliegenpilze können bekanntlich giftig sein. Die Macher von Super Mario Bros. waren sich dessen bewusst, deswegen machten sie es dem Spieler extra schwer, dem Pilz auszuweichen. Mario steht unter einer Reihe Blöcken, die ihm die Möglichkeit der Situation durch einen Sprung, mit dem bisher jedes Problem zu lösen war, zu entkommen blockieren. Versucht der Spieler trotzdem zu hüpfen, ist es so angelegt, dass er mit dem Kopf gegen einen Block stößt und mit dem Pilz in Berührung kommt. Dann aber stellt er fest: Der Pilz schadet mir nicht. Er macht Mario größer! Und stärker! Wenn Mario jetzt gegen einen Ziegelsteinblock springt, zerschmettert er ihn. Pilze sind also ziemlich toll und ich sollte sie einsammeln wann immer ich einen sehen. Und der Witz an der Sache: Der erste Fliegenpilz ist der einzige im gesamten Spiel, der sich auf Mario zubewegt, alle weiteren Pilze werden sich vom Spieler wegbewegen, in einem Tempo das ein wenig langsamer ist als die Laufgeschwindigkeit von Mario, und müssen gejagt und eingefangen werden. Der Pilz ist die begehrte Belohnung für das spaßigste und einfachste aller Kinderspiele, das Fangenspielen.
In Super Mario Bros. Echtzeit dauert all dies zwanzig Sekunden. Nach zwanzig Sekunden versteht der Spieler, wie die Welt von Mario funktioniert und was er zu tun hat.
Der Umstand, dass es weder beim Anfang von George Lucas "Star Wars" (1977) noch beim Anfang von Shigeru Miyamotos "Super Mario Bros" (1985) um die Story geht (der Plot der ersten Szene von ANH ist, dass ein Sternenzerstörer auf ein Rebellenschiff feuert), sondern darum die Regeln der Welt zu etablieren, erspart uns die leidige Diskussion ob Videospiele nur Kunst sein können wenn sie eine würdige Geschichte erzählen, und ermöglicht den fairen Vergleich. In beiden Werken sind wir Zeugen von Meistern ihres Fachs. Und in einer Gegenüberstellung wie dieser würde ich die Summe der gewissenhaften Überlegung und Kreativität, die in die ersten zwanzig Spielsekunden von Super Mario Bros. floss jederzeit und ohne Zögern gegen das absolut Beste aus anderen Medien stellen.
Samstag, 19. Dezember 2009
Atheistische Spiritualität
Ich hatte nur nicht damit gerechnet, was mich letztzendlich dazu bringt, das Vorhaben in die Tat umzusetzen:
Natürlich ist es lächerlich zu behaupten, allein Religion würde Kunst schaffen, schließlich ist das gesamte künstlerische Feld des Humors seit jeher Domäne der Gottlosen, Lästerer und Zweifler. Insofern ist es nur recht und billig, dass ein Komiker die Liste anführt. Und dass es ein sentimentales, bewegend ehrliches Weihnachtslied ist... nun ja, was soll ich zu meiner Entschuldigung sagen. Niemand von uns weiß im Voraus, was ihn schon im nächsten Augenblick zu Tränen rühren wird.
Mittwoch, 18. November 2009
Neuigkeiten von der politischen Heimatfront
Ist aber alles egal, wenn der pausbäckige Erzengel weiter seine Zunge wie ein Flammenschwert führt.
In NRW findet im Mai 2010 eine kleine Bundestagswahl statt. Mit welcher Machtperspektive tritt die SPD an?Egal wie man's dreht und wendet, das ist ein ziemlich windschnittiges Stück Meinungsmache.
Es geht darum, Rüttgers abzulösen und Hannelore Kraft zur Ministerpräsidentin zu machen. Rüttgers spielt zu Hause den Arbeiterführer und redet über Bildung. Und in Berlin stimmt er Steuersenkungen zu, die dazu führen, dass in NRW das Geld für Bildung fehlen wird. Er ist verantwortlich dafür, dass Schwarz-Gelb eine Politik gegen das Gemeinwohl macht. Wer diese unerträgliche Doppelzüngigkeit beenden will, kann nur eine Partei wählen: die SPD.
Das würden Linkspartei und Grüne für sich auch in Anspruch nehmen.
Für die Linkspartei in NRW hat Oskar Lafontaine bereits erklärt, dass sie nicht regieren will. Jede Stimme für die Linken ist damit eine Stimme für Rüttgers. Und bei den Grünen weiß man seit dem Saarland, dass sie mit der CDU, also mit der Partei, die sich für den Ausbau der Atomenergie stark macht, regieren wird, wenn die SPD nicht stark genug für Rot-Grün wird.
Rot-Rot-Grün ist keine Alternative in Düsseldorf?
Für mich gibt es keinen Grund, Koalitionen mit der Linkspartei prinzipiell auszuschließen. Aber es gibt auch keinen Grund, sie prinzipiell zu schließen. Für NRW stellt sich diese Frage nicht. Schon wegen Lafontaines Festlegung. Er sagt selbst, dass die Linkspartei in NRW gegenwärtig nicht regierungsfähig ist. Für NRW gilt: Wer die Doppelzüngigkeit von Rüttgers nicht will, hat nur eine Chance: Er muss SPD wählen.
Dienstag, 17. November 2009
Ein Nachtrag zur gestrigen rasch hingekritzelten Bauchreaktion
Das Wichtigste: Wann immer MW2 Ballerspaß zu Gräuel verkehrt (das geschieht nicht so häufig wie Slate den Eindruck erwecken will), erfordert das die ausdrückliche Genehmigung des Spielers. Jegliches Bedenken der eigenen Handlungen geschieht auf freiwilliger Basis.
Zum einen gibt MW2 dem Spieler die Möglichkeit, gewaltkritische Stellen zu überspringen, zum anderen ist dem Spiel der eigene Interessenskonflikt zwischen Gewalt, die unterhalten, und Gewalt, die schockieren soll, nicht geheuer, was es zu kompensieren versucht (und dadurch bloß die eigene Doppelzüngigkeit verschärft), indem es gerade in der Sequenz, in der der Horror des wirklichen Krieges in die Fantasiewelt am vernichtendsten einbricht, die schlimmsten Schauer der Realität ausblendet.
Um es auf den Punkt zu bringen: Was dem Slate-Redakteur die anfänglich mit Begeisterung ausgeübte Lust am Töten verdarb war einzig und allein die oben beschriebene Terrorismus Sequenz, in der der Spieler an einem Massaker an Zivilisten in einem Flughafen teilnimmt. Und die kann der Spieler mit einem kleinen Knopfdruck ausschalten.But even though you don’t have to kill any civilians, you can’t save them either. If you go through the scene at all, you will watch them mown down, then crawling for their lives before finally being dispatched. It will cause nightmares for some, and I cannot imagine it will be healthy for the mental state of some players who are already unbalanced.
But Infinity Ward clearly pulled many punches it could have thrown in trying to make the scene as realistic as possible. There are no children or obviously elderly people in the terminal and very few women. The thinking seems to be that if you’re going to allow a player to act out killing throngs of helpless civilians, the victims should be almost entirely white middle-aged men.
Das heißt im Klartext, der Anspruch, das Genre Kriegsspiel zu unterhöhlen, steht und fällt mit einem einzigem Level in einer siebenstündigen Kampagne, das völlig optional und zum erfolgreichen Abschluss des Spiels nicht erforderlich ist, und ignoriert ferner die Natur von MW2 als Online-Spiel, das seinen happigen Preis, wie der NYT Rezesent eingesteht, nur dank einer auf Langlebigkeit zielenden Online-Komponente rechtfertigt.
Laut Slate und NYT liegt die höchste künstlerische Ambition von Call of Duty: Modern Warfare 2 darin, dass seine fünf Millionen Erstkäufer nach dem Durchspielen der Einzelspielerkampagne ausnahmslos so komplett angewidert von sich selbst sind, dass sie den Controller beiseite legen und die Online-Server niemals auch nur betreten. Jeder darf für sich selbst entscheiden, für wie glaubwürdig er diese These hält.
Montag, 16. November 2009
Die Grenzen von First-Person-Shootern als Objekt von und Vehikel für Kulturkritik?
(*zum Vergleich: Roland Emmerichs Spätsommerspektakel '2012' pulverisierte die Filmkonkurrenz mit läppischen 225 Millionen am Eröffnungswochenende weltweit. COD:MW2 schüttete 310 Millionen in die Verkaufskassen, allein am ersten Tag und in Nord Amerika plus Großbritannien. Und jetzt ratet, welche der beiden Unterhaltungsformen auf der ehrenwerten Couch von Wetten Daß Platz nehmen durfte und welche von familienfixierten Sittenwächtern als Gewaltporno für labile junge Männer beäugt wird?)The game begins in Afghanistan, where the fighting is terrifying but thrilling. As in the first Modern Warfare, your game-play failures (which usually result in death) provide an opportunity to meditate on a quotation from a famous writer and thinker. These quotes focus overwhelmingly on the futility of revenge and the dangers of excessive nationalism. While there are occasional pro-war quotes, the deck is stacked for the anti-war side, as John Milton, Albert Einstein, and Voltaire do battle with Nathan Hale, Dick Cheney, and Donald Rumsfeld, who is cited for his certainty on the location of Iraq's weapons of mass destruction.
At the beginning of the game, these quotes feel like an inoculation, an attempt to counteract the reprehensible message of the game play. That message: Killing foreigners on behalf of one's country is one hell of a good time. In one early bit, I deeply enjoyed watching a buddy slit the throat of an enemy. But soon the tenor of the game play changes, and, remarkably, it has the courage not to be fun. Modern Warfare 2 is immersive, gripping, gut-wrenching, nerve-wracking, disturbing, and thought-provoking—and, yes, unpleasant. The game's perverse achievement was to make me feel bad about myself while playing it, and that's more feeling than nearly every other video game is able to evoke.
Als großer Verfechter der Videospielkultur überkommen mich beim Lesen von Passagen wie oben zitierter gemischte Gefühle.
Ein paar spontane Anmerkungen:
1) Der Redakteur hätte jederzeit aufhören können, zu spielen. Das Spiel zwingt dich nicht, aktiver Teilnehmer an seinen Grausamkeiten zu sein. Ein Spiel erfordert, wie jede Geschichte und mehr noch, deine Einwilligung, seine Geschichte zu erzählen. Zuschauer können während eines Kinofilms aufstehen und den Saal verlassen. Den Controller aus der Hand zu legen ist wesentlich schneller getan. "You don't have to do this. You can stop. You can refuse. You can walk away. I didn't." Der Grund dafür wird sein, dass ein Spiel dir gemäß seiner Natur immer eine Motivation gibt, weiterspielen zu wollen. Vielleicht weil es dich doch Gefallen am Töten finden ließ. Vielleicht weil du Gefallen am Töten hast. Und ganz, ganz vielleicht auch weil Töten in einem Videospiel überhaupt nicht wie Töten ist.
2) So toll es ist, dass Videospiele versuchen, erwachsen zu sein, aber wenn ich mir die Schilderung bildlich vor Augen führe: "As part of a group of four men with guns, you walk toward a security line full of civilians at a Russian airport. And then you kill them. I'll admit it—I pulled the trigger. (...) But after an introductory gun burst, I couldn't do it anymore. It was the most powerful emotional experience any video game has ever given me. I don't know that I cried, but I was knocked off balance by emotions that I thought I had tucked away. As the travelers screamed and fled from the indiscriminate slaughter, I strolled through the airport. I didn't fire my weapon anymore, but I watched the three Russian terrorists kill. One of the men shot a passenger as he crawled along the blood-streaked floor and pleaded for his life. And then I started shooting again." Dann fällt mir als unmittelbarer Reflex ein, wie leicht es wäre, die gleiche Szene in einer Fernsehdebatte als Film vorzuführen, um gewaltbeinhaltende Spiele an den Pranger zu stellen und als Killermedium zu verurteilen.
3) Ich habe seit langer Zeit keinen Shooter mehr angefasst. Wenn ich aber in der Laune auf eine Partie virtuelles Räuber & Gendarm Spielen wäre, bin ich nicht vollkommen sicher, dass ich wollte, dass mein entspannentes Fantasierumgeballere das Blutgespritze, und die Sterbensschreie, und den Angstschweiß, und die Qual ernst genug nimmt, um die emotionale Grenze zur Realität zu verwischen und das So-tun-als-ob den Horror des echten Akts erhält.
Das Fazit des Artikels wäre ein ermutigendes Zeichen, dass Spiele im Feuilleton angekommen sind, leider ist es eher ein Beispiel für einen Denker, der das eigene Spielerlebnis ungerechtfertigt zum Allgemeinfall überhebt.
It's a first-person shooter that plays as a tragedy, not a power fantasy. It's the most anti-war war game I've ever played, a murder simulator that won't let you forget the nature of your actions.Nur wird das Spiel immer noch als Unterhaltungsware verkauft. Tragödien finden kein Publikum von fünf Millionen binnen 24 Stunden. Modern Warfare 2 ist ein als Kriegsspiel vermarketetes Anti-Kriegsspiel, eine Gewaltkritik, die als Gewaltorgie konsumiert wird, und ein Mordsimulator, der das Töten nicht verherrlicht aber es als einzige Option zum Erreichen des Ziels belässt. 'Gewaltorgie' darf übrigens wörtlich genommen werden. Modern Warfare 2 verlangt eine Gruppe von Mitspielern für den vollen Genuss.
Es stellt seine eigenes Anliegen, dich die gewaltsame Natur deiner vorgetäuschten Handlungen nicht verdrängen zu lassen, gegen das Bedürfnis des Spielers, den eigenen langen anstrengenden echten Arbeitstag zu vergessen. Es ist ein Multiplayer-Ballerspiel, aufgebaut auf eine lange Karriere als allabendliche Anlaufstelle für eine Millionengemeinschaft von Online-Spielern, das, wenn es in seinem Ansinnen erfolgreich wäre, den Spieler dazu bringen müsste, das Gewehr und den Controller angeekelt beiseite zu legen und nie wieder anzufassen. Deswegen ist seine zwangsweise zum Scheitern verurteilte Ambition wahlweise die Überinterpretation eines intelektuellen Kulturjournalisten mit zu schwachem Magen, oder eine nett gemeinte aber sich selbst-besiegende Narrerei, im besten Falle, und im schlimmsten Fall ein gefährliches Stück schizophrene Hybris.
Mittwoch, 11. November 2009
Während Familie, Doktor & DFB Würde zeigen, beweisen andere Dummköpfe dass Robert Enke die öffentliche Reaktion auf seine Krankheit zu Recht fürchtete
--- Rainer Brüderle
Der erste Satz, der mir durch den Kopf schoss, lautete: Oh, Gott, ich dachte nicht, dass es so ernst ist. Es bestand immer ein Gefühl, aus der Ferne, in den brüchlichen Einblicken in sein Leben, dass unter Robert Enkes glatter Oberflächer Dämen tobten, die man vielleicht eher sieht, wenn man sie von sich selbst wiedererkennt, und über die man, je näher man dem Menschen kommt, und dem Trugspiel das ihm das Überleben bislang überhaupt erst möglich machte, leichter hinweggetäuscht wird.
Die größte Neuigkeit in der Schar sprechender Köpfe, die über den Bildschirm flimmernd ihre Meinung äußern, liegt darin, dass ganz plötzlich offensichtlich wird, welche Menschen wissen, was Depression bedeutet, und wie viele die Krankheit nicht verstehen. Rainer Brüderle gehört eindeutig zu denen, die nichts kapieren.
Im meinem letzten Blog-Eintrag war Stephen Fry zu Gast und ich gebe ihm wieder das Wort. Vor einigen Jahren drehte er für die BBC eine Dokumentation, die in Großbritannien eine öffentliche Diskussion auslöste, die auch Deutschland an dieser Stelle gesunden würde: The Secret Life of a Manic-Depressive.
Dienstag, 10. November 2009
1876 zu 268
Es war ein wenig unfair. Die Kirche hatte als Fürsprecher eine schwafelnde Politikerin und einen weichgespülten Bischof. Die Anti-Katholische Seite hatte Christopher Hitchens und Stephen Fry. Man schickt nicht Englands meist geliebten Homosexuellen, feiner Gebieter der Sprache und Schwertführer tödlicher Einsichten der er nebenbei ist, und einen der besten und sicherlich hochbezahltesten Polemiker des gesamten englischen Sprachraums gegen drittklassige Gegner in den Kampf und erwartet als Ergebnis etwas anderes als ein einseitiges Gemetzel. Das ist wie ein Team von Superman und Batman gegen die Panzerknacker. Ein Fußballspiel Spanien gegen San Marino. Brock Lesnar gegen Regina Halmich. Als hätte jemand gesagt: Lasst uns mal wieder ein paar Christen gegen Löwen in die Arena schicken, aber mit noch viel mehr Erniedrigung und nur ein ganz klein bisschen weniger Blutgespritze.
Frys Stellungnahme, inklusive eines glänzenden Vergleichs der katholischen Sexbessenheit zum Verhältnis von Essgestörten zu Nahrung, beginnt ab 1:30.
Mittwoch, 4. November 2009
Wie Mitleid, nicht Sensationssucht, uns zu Gaffern macht
Und ich kenne die Stelle, an der der leblose Leib auf das Asphalt klatschte (den Zusammenstoß sah ich nicht, es war das Geräusch das meinen Blick herum riss). Ich bin dort über die Kreuzung gegangen. Mir sind dort zweimal, bei grünem Licht, Autos in vollem Tempo an der Nasenspitze vorbei gerast gerade als ich dabei war, den Fuß auf das Straßenpflaster zu setzen. In dieser Stadt wirst du überfahren wenn du über die Straße gehst nur weil die Ampel zufällig Grün zeigt.
Es ist ein zwiespältiges Gefühl. Vor heute habe ich die Menschentrauben, die sich um Unfallorte versammeln, nur als Gaffer verstanden. Derzeit bin ich weniger hastig mit dem Urteil. Etwas anderes ist im Spiel. Selbst als die Straßenbahn mich wie unter Zwang von dem überfahrenem Menschen weg trug, kehrten mein Blick und mein ganzer Körper sich immer wieder rückwärts, zutiefst wiederstrebend einen Verletzten zu verlassen, obwohl ich wusste, dass ich ihm nicht helfen konnte, und als wie kämpften in meinem Innersten das Pflichtgefühl einem Mitmenschen - dem Verletzten, seinen Begleitern, den Helfern - Solidärität zu zeigen gegen die Scheu das Leid eines Anderen durch meine Augen der Würde zu entkleiden.
Mittwoch, 30. September 2009
Kognitive Dissonanz im Test
B. Der CEO einer großen Bank wird des Betrugs in Milliardenhöhe überführt. Über Jahre soll er systematisch Bücher gefälscht, Geld unterschlagen, und den Aktionären falsche Gewinne vorgegaukelt haben. Viele gutgläubige Investoren, darunter wohltätige Vereine und unzählige Familien, verlieren durch die illegalen Machenschaften dieses Mannes ihr gesamtes Hab und Gut. Aufgrund intensiver Lobbyarbeit und großzügiger Spendenbeiträgen von Seiten der Wirtschaft in die Kriegskasse für die nächste Wahl erhält der verurteilte CEO ein präsidiales Pardon und muss seine lebenslange Haftstrafe nie antreten. Führende Finanzexperten und Firmenbosse preisen den CEO für seine Risikobereitschaft, seine Visionen, und seinen Beitrag zum Kapitalismus.
C. Ein Künstler vergewaltigt ein minderjähriges Mädchen. Er entzieht sich der gerechten Strafe und flieht ins Ausland. Als ihn die Polizei nach vielen Jahren erwischt geht ein Aufschrei der Empörung durch die Reihen derer, die ihn für sein Schaffen mit Auszeichnungen überhäuften. Kollegen aus aller Welt starten eine öffentliche Kampagne, um die Justiz davon abzubringen, den Vergewaltiger zu verfolgen. Senta Berger und die Ochsenknechts setzen sich für seine Freilassung ein.
Auswertung: Wenn sie A für gerecht halten, dann sind sie Mitglied der republikanischen Partei der USA. Wenn sie B für gerecht halten, sind sie Wirtschaftsbonze und der Grund, warum unsere Finanzwelt im Arsch ist. Sollte hingegen beim Gedanken an A und B ihr Blut kochen vor Wut angesichts solcherart pervertierter Gerechtigkeit, aber für den Künstler aus C würde sie auf die Barrikaden gehen - Glückwunsch! Sie sind ein stolzer Vertreter unserer kulturschaffenden Elite und genauso moralisch korrupt und blind bündnistreu wie Ihre schlimmsten Feindbilder. Sie wissen schon, die Feindbilder, über die Sie Ihre preisgekrönten Filme drehen.
Montag, 28. September 2009
Der dümmste Zeitpunkt FDP zu wählen
Der Rattenfänger von Hameln hat soeben alle Kinder des Dorfes in die Berge entführt. Die Bürger des Dorfes ziehen aus dem schweren Schicksalsschlag eine wichtige Lehre und schwören in Zukunft prinzipiell alle Rattenfänger um ihr Geld zu prellen und außerdem überall magische Flöten zu verteilen.
Mein Haus ist niedergebrannt. Bei meinem nächstem Heim mache ich es besser und heuere gleich von Anfang an einen verurteilten Pyromanen an, der sich um den Brandschutz kümmert.
Ich weiß nicht genau, wie die FDP nach einer Wirtschaftskrise, die die Torheit eines deregulierten Marktes offenbarte, das beste Ergebnis ihrer Geschichte einfahren kann, aber es fühlt sich ein bisschen so an, als hätten die Bewohner von New Orleans George W. Bush nach Katrina zum König gewählt. Das Bundestagsergebnis ist nicht vollkommen mies - Angela Merkel als Bundeskanzlerin ist besser als Steinmeier als Kanzler und ich erhalte zum ersten Mal die Gelegenheit politisch bewusst zu beobachten, wie die FDP regiert. Ich wünschte nur diese nicht unbedingt unaufschiebbare Gelegenheit käme nicht ausgerechnet an dem seltenen Tag, an dem die Wirtschaftsmächte der Welt mit vereinter Stimme nach besseren Regulierungsmaßnahmen schreien und sogar der Präsident der USA, dieses Fackelträgers der freien Marktwirtschaft, weiß, dass nur Narren glauben, Gier besäße ein Gewissen.
In weniger "I hate Mondays"-artigen Neuigkeiten: Der Euro Health Consumer Index 2009 liegt vor und zeigt Deutschland insgesamt, und insbesondere deutschen Ärzten, den Daumen nach oben. Schlüsselstellen:
1.1.4 Germany – the “Mystery Country”Und:
In 6th place with 787 points, Germany probably has the most restriction-free and consumeroriented healthcare system in Europe, with patients allowed to seek almost any type of care they wish whenever they want it. The main reason Germany is not engaged in the fight for medals is the mediocrity of Outcomes (and “Germany” and “mediocre quality” are rarely heard in the same sentence!). This is probably due to a characteristic of the German healthcare system: a large number of rather small general hospitals, not specializing.
The “mystery” is: how is it possible to operate a restriction-free system, and not have healthcare costs run wild? As can be seen from the cost graph in Section 5.1, German healthcare costs are in the middle of the Western European countries.
Another speculative explanation: There are studies, that show that German doctors work harder; long hours and many appointments/operations per doctor per year. It is well known that hindering a German from working is difficult. Could the relatively good cost containment in German healthcare be explained simply be “German work ethic”? Unfortunately, the EHCI does not provide the answer.
Countries, where healthcare seems to develop faster than average in a direction of improved consumer friendliness are:Mal abwarten, in welche Richtung es unter Schwarz-Gelb geht.
Germany: Outcomes scores are creeping up from the “all Yellow” a couple of years ago. Will be a real top contender, if this trend continues.
Dienstag, 22. September 2009
Schaut her, wie ich mit diesem Regenschirm einen Bären erlege
Man nehme zum Beispiel folgenden Cartoon von Dana Summers für den Orlando Sentinel:
Die Botschaft dieses kleinen Bildes ist leicht zu erraten: Obama liefert seine armen Verbündeten Polen und die Tschechische Republik schutzlos dem russischem Bären aus. Er lässt sie - Achtung, mieser visueller Wortwitz - im Regen stehen! Wobei der Regen der Sabber ist, der aus dem Mund der von Obama naiv-bösartig zum niedlichen Teddy heruntergespielten pelzigen Bedrohung tropft.
Russland: Hungriger Bär. Polen & Tschechien: Hilflose Opfer. Obama: Bösewicht. So weit, so simpel die Rollenverteilung.
Das wahre, ungewollte Genie des Cartoons wird erst bei einem Blick darauf deutlich, was Obama Polen und Tschechien aus der Hand nimmt. Wodurch ist das Raketenabwehrsystem dargestellt? Ein Schild? Ein scharfes Schwert? Nö, ein pobeliger Regenschirm. Hier dekonstruiert der Cartoon sich selbst. Schützt ein Regenschirm wirklich vor einem fünf Meter hohem Bären? Wirklich? Der Grizzley in dem Bild könnte die zwei Menschlein in einem Haps verschlingen und würde nicht mal merken, ob sie einen Regenschirm hielten oder nicht. Oder, um in Dana Summers eigener Bilderwelt zu bleiben: Der Regenschirm nützt einen Scheiß gegen einen Bären, der das hier macht. Begeht Obama also ein großes Unrecht, wenn er Polen und Tschechien einen unwirksamen Schutzmechanismus wegnimmt? Wahrscheinlich nicht.
Ein überraschend subversive Wahrheit von Dana Summers, Schöpfer von solch neuartigen Erkenntnissen wie "Frauen mögen keinen Sport", "Eine CIA ohne Folter ist wie ein Pudel ohne Eier", "Lasst Palins Kinder in Ruhe!" und "Nancy Pelosi will Republikaner ermorden".
Samstag, 4. Juli 2009
Noch Fragen?
--- Sarah Palin, Rücktrittserklärung als Governor von Alaska
Dienstag, 9. Juni 2009
Kristiane Backers spirituelle Reise
Ich sollte aufhören zu nächtlicher Stunde aus Versehen in Maischberger-Wiederholungen zum Thema Gott reinzuzappen, denn für jeden Henryk M. Broder oder Werner Schneyder, der das dampflose Ich-tu-dir-nicht-weh-Plaudern mit spitz geführter Silberzunge erträglich macht, gibt es fünf Gläubige, die sich gegenseitig damit den Rücken kraulen, dass die Religion der Anderen mindestens genau so zu Gott führt wie die eigene, so dass man am Ende gar nicht mehr weiß, warum die Leute sich dann überhaupt für ihre Religion entschieden haben, und als einzige sinnvolle Handlung zum Abschied bleibt einem eigentlich nur der triste Glückwunsch an Kristiane Backer für ihre gelungene geistliche Reifung vom oberflächlichem MTV Girlie zur oberflächlichen Gläubigen.
Mittwoch, 3. Juni 2009
Erster Terrorakt unter Präsident Obamas Zuständigkeit
Dr. George Tiller, whose Kansas women's clinic frequently took center stage in the U.S. debate over abortion, was shot and killed while serving as an usher at his Wichita church Sunday morning, police said.Vor der Wahl 2004 zwischen Bush und Kerry warnte Dick Cheney das amerikanische Volk vor einer erhöhten Terrorgefahr falls sie sich falscherweise für einen demokratischen Präsidenten entschieden. Im Wahlkampf 2008 wiederholte Cheney die Drohung. Zuletzt beschwor er im Frühjahr 2009 das Schreckgespenst von Terror in den USA nachdem Obama das von Cheney geerbte Folterprogramm begrub.
Ganz bestimmt hatte Cheney nicht seine eigenen Wähler im Sinn, als er von Terroristen sprach, die sich durch Obamas Regierung zum Mord an amerikanische Bürgern ermutigt fühlen würde. Denn sonst hätte er ausnahmsweise einmal Recht behalten.
Das Opfer, Dr. George Tiller, wurde von einem religiös motiviertem Fanatiker ermordet, in dessen Augen Frauenrechte ein Verstoß gegen Gottes Gesetz sind.
Der Mörder war ein Fundamentalist. Er war kein Moslem. Er war, wie das Opfer, Christ.
George Tiller praktizierte als Abtreibungsarzt. Er zählte zu einem kleinen Kreis von weniger als zehn Ärzten in den USA, an die Frauen mit Komplikationen gegen Ende der Schwangerschaft sich wenden konnten. Der heimtückische Mord an Tiller, der frühere Anschläge auf sein Leben überlebte und weiterhin das Werk fortsetzte, das er für nötig und richtig hielt, löscht nicht nur einen Doktor aus, sondern schreckt andere Ärzte ab, in seine Fußstapfen zu treten. Es handelt sich um Terror, und genauso eindeutig wie die letzte Anschlagsserie auf Abtreibungsärzte nach Bill Clintons Wahl stattfand, war auch dieser Terror nur unter einem demokratischem Präsidenten denkbar.
Nicht etwa deswegen, weil Demokraten gegen diese Terroristen sanfter vorgehen als Bush und Cheney, sondern weil diese Terroristen Republikaner sind.
Mittwoch, 27. Mai 2009
Das eigentliche Verbrechen der spanischen Inquistion? Nicht professionell genug.
Nun ist es so, dass Cheney in Bestform jederzeit ein erschreckendes Beispiel ist, wie man die Wahrheit mit Worten ermordet. Doch, und das tröstet, selbst ein Mann wie Cheney, dem der Euphemismus Verschärfte Vernehmung für Folter so leicht über die Lippen geht, dass Jeffrey Toobin ihm auch zutraut Tod als Verschärften Schlaf zu bezeichnen, verrät sich zwischen den Zeilen, wenn man nur aufmerksam liest. Der Herr der Finsternis spricht:
In public discussion of these matters, there has been a strange and sometimes willful attempt to conflate what happened at Abu Ghraib prison with the top secret program of enhanced interrogations. At Abu Ghraib, a few sadistic prison guards abused inmates in violation of American law, military regulations, and simple decency. For the harm they did, to Iraqi prisoners and to America's cause, they deserved and received Army justice. And it takes a deeply unfair cast of mind to equate the disgraces of Abu Ghraib with the lawful, skillful, and entirely honorable work of CIA personnel trained to deal with a few malevolent men.
Achtet auf die Eigenschaften, die Cheney wählt, um das Verhalten der CIA gegen das der sadistischen Gefängniswärter zu kontrastieren. Verschärfte Verhörmethoden sind legal, gekonnt und ehrenhaft. Das bedeutet im Umkehrschluss die Folter auf den Fotos von Abu Ghraib war: Illegal, Ungekonnt, Ehrlos.
Der Reihe nach. Illegal? Durchaus. Ehrlos? Na klar. Doch ungekonnt? Ja, schon, die Abu Graib Fotos hatten einen gewissen Redneck-Sadismus Faktor, aber warum sollte es das schlechter oder besser machen. Die anderen zwei Eigenschaften stellten immerhin passable Verteidigungen dar, entsprächen sie den Tatsachen - das Gesetz wurde in beiden Fällen gebrochen und unter welchen Umständen Folter ehrbar sein kann, darüber kann gestritten werden - aber was für ein Hirn muss man haben, um zu glauben, die Kompetenz der Folterknechte wäre ein Kriterium, das über Moral oder Immoral der Folter entscheidet. Als wäre das Schlagen von Gefangenen und versuchte Beinahe-Ertränkung mit gelegentlichen versehentlichen Todesfolgen oki-doki solange es bloß von Profis durchgeführt wird.
Nein, das Problem entsteht eben genau dadurch, dass Lynndie England und Kollegen sich Punkt für Punkt an Cheneys streng geheimes Programm der Verschärften Vernehmung hielten, abgesehen von der strengen Geheimhaltung.
Die eigentliche Schande von Abu Ghraib, in Cheneys Augen, besteht nicht in der Folter, sondern darin, dass sie von Amateuren durchgeführt wurde, die sich erwischen ließen.
Freitag, 8. Mai 2009
Tiradenalarm!
Ich taufe die Tirade auf den Titel
DEUTSCHE POLITIKER WISSEN NICHT WAS PAINTBALL IST SOWIE BOSBACH IST EIN UNINFORMIERTER QUASSELKOPP DER SICH BEIM REDEN SELBST NICHT MEHR ZUHÖRT UND WIR BESSER AUCH NICHT!
Zunächst einmal muss ich ein Kompliment aus dem Weg räumen. Ich muss meiner Regierung dafür applaudieren, dass sie mich unzweifelhaft erinnert haben, dass sie 'ne Scheißahnung von nix haben. Da ich über das ökonomische Know-how eines Zehnjährigen mit eigenem Limonadenstand verfüge (streng genommen ist der Zehnjährige wirtschaftlich kompetenter als ich, aber das ist keine Schande. Er ist auch kompetenter als Franjo Pooth), war ich bei den ganzen Finanzspritzen und Wirtschaftsrettungspaketen der letzten Zeit gar nicht mehr in der Lage zu beurteilen, ob die unser schönes Land verwaltenden Politiker nicht vielleicht doch kompetent sind. Nein, sind sie nicht. Danke für die rechtzeitige Gedächtnisstütze.
In Ordnung. Damit ist das Positive gesagt. Kommen wir zu den Neuigkeiten, die eine Lobotomie erfordern, um sie auf angemessenem Niveau zu diskutieren:
Die Bundesregierung plant Paintball zu verbieten. Nicht bloß für Jugendliche unter 18 Jahren, sondern komplett verbieten. Bei Strafe von 5000,- Euro auf den Besitz einer Paintball-Waffe. 5000 Euro für ein Ding, das nie jemanden gekillt hat. Man kriegt absolut legal eine scharfe Waffe mit genug Munition um einen vollen Pausenhof umzunieten für 5000 Euro. So bringt man also jugendliche Psychopathen dazu, ihre begrenzten finanziellen Mittel vernünftig anzulegen.
Der Grund für das Verbot? Weil Paintball Töten simuliere. Ist das wirklich die Begründung? Wirklich jetzt echt ganz ehr-ihrveraschtmichdochnicht-lich?
Mal ganz davon abgesehen, dass die Idee so bescheuert ist, dass nur jemand, der das Wort Paintball noch nie gehört hat, darauf kommen könnte (Oh, warte mal, genau so ist es passiert? Danke ausländischer Voluntär, der einen Einblick in die Weisheit unserer politischen Ausschüsse bietet). Vergessen wir auch für einen Moment wie Paintball die Erwachsenen-Version von Kindern darstellt, die mit den Fingern aufeinanderzuzeigen und "Peng-Peng, du bist tot!" rufen, mit dem einen Unterschied dass ich im Sandkasten tatsächlich das Sterben höchstdramatisch simuliert habe und mir in einem besonders intensivem Nachspielen eines toten Mannes beim Sturz vom Klettergerüst eine Schulter anknackste.
Ich will mich gar nicht darüber aufregen, wie dumm die Entscheidung ist. Mir kocht das Blut darüber wie dämlich die Begründung ist.
Zitat der nette Herr Bosbach von der CDU:
Demnach sollen Jagdspiele wie Paintball und Laserdrome verboten, Verstöße dagegen mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro belegt werden. Bei Paintball, auch Gotcha genannt, machen die Spieler mit Farbkügelchen, bei Laserdrome mit Laserpistolen Jagd aufeinander. „Dabei wird das Töten simuliert“, begründete der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) das geplante Verbot in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
DAS ARGUMENT ERGIBT NULL SINN. Ich weiß ja, dass Menschen wie Herrn Bosbach die für Selbstkritik zuständigen Bereiche des Gehirns vor Amtsantritt durch die Nase ausgesaugt werden, doch selbst ein Mensch, der nicht weiß, was Paintball genau ist, sollte misstrauisch gegenüber der Festigkeit der von ihm vertretenen Position werden wenn er sich zu deren Rechtfertigung schwachsinnige Sätze murmeln hört wie: "Diese Spiele simulieren das Töten."
Ja und? Schokozigaretten simulieren das Rauchen, aber die sind noch nicht verboten. Und darum will ich auch bitten, denn sie sind köstlich. Das sage ich als Nichtraucher, der schon mit Super-Soakern simuliert erschossen wurde, zu Weiberfastnacht simulierte Kastrationen an unschuldigen Krawatten erlebte und weiß, dass sein Staat zusah während man einen deutschen Mitbürger simuliert ertränkte.
Sie simulieren das Töten? Ernsthaft jetzt? Kennen Sie den größten Simulator von Morden, Herr Politiker? Ja genau, die Film- und Fernsehindustrie. Als ich das letzte Mal nachschaute, war der Tatort noch nicht verboten und das deutsche Kino erhielt Millionen Fördergelder vom Staat.
Sie simulieren das Töten. Mir war bis gestern nicht klar, dass Simulieren eines Verbrechens an sich ein Verbrechen ist. Mein Gott, wenn der nächste Amokläufer seine Opfer mit einem Schwert erschlägt, weil die böse Regierung ihm die Paintball-Knarre verboten hat, mit der er sonst gemordet hätte, landen Ritterfestspiele auf Index, nicht wahr? Aber warum so lange warten. Wenn wir einen Sport verbieten, der mit falschen Waffen spielt, verbieten wir gleich alle. Zur nächsten Olympiade reist die deutsche Delegation dann ohne Fechter an.
Und was ist mit Sportschützen, Speerwerfern und Bogenschützen? Nun ja, das ist was anderes. Die schießen auf nicht-menschliche Ziele. Paintball-Spieler lernen mit Farbpatronen auf Menschen zu ballern, was anscheinend, laut Innenministerkonferenz, nicht so gefährlich ist wie zu lernen mit echten, scharfen Waffen präzise ins Ziel zu treffen.
Noch schwächer: Das Urteil ist eine reine Geschmackfrage. Es lautet nicht "Dieses Hobby ist gefährlicher als echte Waffen." Es lautet "Dieses Hobby ist vielleicht nicht gefährlich aber ich sehe keinen Grund, warum irgendjemandem erlaubt sein sollte, es auszuüben." Normalerweise braucht man einen Grund, etwas zu verbieten, nicht um etwas zu erlauben, aber vielleicht war ja an dem Tag des Beschlusses zufällig Verkerhter-Welt-Tag. Ich für meinen Teil bin kein Freund davon, mir die grauen Zellen zu tot zu saufen, aber ich belasse Erwin Huber das Recht weiterhin die Silben so zu verschlurfen wie ein Besoffener die ihn mein Ohr gelallten Versicherungen ich wäre sein bester, einziger Freund auf der ganzen Welt.
In der Killerspiele-Kolumne bat ich darum, gotcha-ähnliche Spiele legal zu halten, schon allein aus dem simplen Grund, dass sie ein nützliches Barometer bieten, die geistig gesunden Schießwütigen von den krankhaft Obsessiven zu unterscheiden. Der Kerl in ordnungsgemäßer Kleidung und Helm? Dem liegt offensichtlich viel an der eigenen Sicherheit und der seiner Mitmenschen. Der blasshäutige Freak in schwarzer Tarnkleidung irgendwo zwischen SS-Schick und Matrix? Wahrscheinlich eher aus den falschen Gründen dabei.
Stattdessen trachtet die Bundesregierung danach, alle möglichen Warnsignale für zukünftige Amokläufer auszumerzen, um uns in Hinblick auf eine notorisch schwer vorhersehbare Gefahr ahnungslos zu halten, weil sie eine Strategie vorziehen, die garantiert, dass sozial nicht integrierte Mörder sich aus allen legalen Schwierigkeiten raushalten bis sie ihren Lehrer erschießen oder aber bevor sie die Chance zum Amoklauf erhalten im Knast landen weil sie Cowboy und Indianer gespielt haben.
Nachdem amerikanische Flughafensicherheit als Reaktion auf den Schuh-Bomber Richard Reid anfingen, Passagieren zur Kontrolle die Schuhe auszuziehen, witzelte Tomas P.M. Barnett, wir sollten Reid besser alle dankbar dafür sein, dass er die Bombe nicht in seinem Arsch herumtrug. In diesem Sinne möchte ich die Herstellern von Wasserpistolen schon im Voraus vor den kommenden Wasserpistolen-Bann der deutschen Regierung warnen, wenn vom nächsten Amokläufer Jugendfotos mit Wasserpistole und Wasserbomben auftauchen. Denn das ist der letzte Schwachsinn: Ein Gesetz gegen das Spielen mit unechten Waffen wäre das erste Recht, das man verliert indem man volljährig wird.
Oder kurz gefasst: Ich habe schon mit acht Jahren auf dem Spielplatz das Töten simuliert. Ich lasse mir doch nicht von Herrn Bosbach einen Freizeitspaß verbieten, den ich seit Kindheit an genieße.
(Und dabei spiele ich gar kein Paintball)
Mittwoch, 29. April 2009
Was immer uns Selbstbewusstsein verleiht: Erfolg, Ansehen, Beliebtheit, eine Pump Gun, ein schwarzer Mantel
"Dylan had on his coat and those glasses. And as Sue looked around in the restaurant she thought people were uncomfortable and were afraid of him. And she said 'Dylan, people are afraid of you with that on. You need to take it off.' And he just smiled at her. I think when he got this coat it's the first time he ever felt power in his life." - Judy Brown, Columbine High School Mutter.
Dienstag, 28. April 2009
Morgendliche Offenbarung
Zum Beispiel heute: Auf Shampoos sollte grundsätzlich der Sticker +10% Kostenlos! kleben um den Fitzelrest auszugleichen, den man nie aus der Flasche gequetscht kriegt.
Freitag, 17. April 2009
Böse, Banal, Bürokratisch
Das Unmenschlichste, das Menschen tun, ermöglicht durch entmenschlichte Sprache. Bei den Formulierungen kommen mir Schwindelgefühle. Das Verstecken hinter dem "Wir", das persönliche Verantwortung leugnet, das den Anweisungen eine unwidersprochene Autorität verleiht, als kämen sie direkt von Gott oder einem König, und alle Machtausübung ist Entscheidung eines Gremiums der Gesichtslosen.
Die Memos rechtfertigen von Diktatoren gestohlene Foltermethoden in von Nazis gestohlener Sprache. Die drei B's des Titels treffen es als Zusammenfassung ganz gut. Man kann sogar noch ein viertes B hinzufügen:
Bullshit.
Montag, 6. April 2009
Das schön komische Spiel
1) Wenn du sowieso schon gewinnst, gelingen auch vollkommen überflüssige Wunderstücke, die dir an einem schlechtem Tag den Arsch retten würden, aber dann nicht klappen.
2) An einem Tag, an dem nichts klappt, hör besser auf alles zu versuchen. Es geht eh schief und du stehst wie ein Idiot da. Besser ist sich hinzulegen bis alles vorbei ist. Am nächsten Morgen kannst du dann wieder aufstehen. Die Welt respektiert Comebacks, aber keiner stellt einen Idioten ein.
Persönlich schöpfe ich, als notorischer Zuspätabgeber von Arbeiten der derzeit die Frist für einen Aufsatz über impotente Flaschengeister näher rasen sieht, besonderen Mut aus dem Anblick von Grafits Hackenschuss. Der Ball trudelt über Huckel und Rasen, wird noch von einer Schnecke überholt und trotzdem stolpern alle Bayern irgendwie vorbei und das Ding schafft es über die Linie. Auch Langsamkeit führt ans Ziel und ist nichtmal die unlustigste Art Deadlines zu schlagen.
Montag, 16. März 2009
Verbietet die andere Sorte Killerspiele
Wer nach einer schnellen, einfachen Lösung für jugendliche Amokläufer sucht, muss Schützenvereine schließen.
Von Markus Rausch
Der vierfache Mörder von Bad Reichenhall war Sohn eines Sportschützen mit 19 Waffen im Haus. Der Sechzehnjährige, der in Brannenburg seinen Internatsleiter erschoss, besaß keine Videospiele, dafür aber das Großarsenal eines in drei Schützenvereinen eingeschriebenen Vaters. Der Amokschütze von Erfurt trainierte beim Schützenverein Domblick e.V. ganz legal mit der Pump Gun und dem Revolver die später 16 Menschenleben auslöschten. Der Verlierer von Emsdetten hatte einen zweifachen Schützenkönig zum Familienoberhaupt. Die armselige Wurst von Winnenden? Auch er Spross eines Schützenvereinsmitglieds, das die Pistole mit ins Schlafzimmer nahm. Trotzdem bleibt die direkteste Verbindung zwischen allen deutschen Amokläufen, der Schützenverein, für das Auge der Kritik unsichtbar.
Sportschießen ist für 1.5 Millionen Deutsche ein etablierter Freizeitspaß. Wichtiger noch, es ist ein Freizeitspaß, den die Leute, die unsere Gesetze schreiben, verstehen. Leute, die im Leben kein Videospiel angefasst haben. Nur so ist es möglich, in einem Moment vor einer Pauschalverurteilung von Schützenkameraden zu warnen, und im nächsten Gedanken überzeugt zu sein, die Computer-Maus in der Hand sei gefährlicher als das Gewehr im Keller. Menschen, die in einer Schützenvereinkultur aufwuchsen, erkennen sofort den Unsinn darin, aufgrund eines Einzelfalls ein Hobby zu verbieten, das Millionen verantwortungsbewusste, geistig gesunde Menschen in der Mehrheit schadlos ausüben.
Keine gesetzliche Maßnahme kann absolute Sicherheit garantieren. Will man allerdings das nächste Schulmassaker verhindern, ist von allen aus blindem Aktionismus geborenen Vorschlägen eine Maßnahme erfolgsversprechender als alle anderen. Haltet Luftdruckwaffen und Paintall Gewehre frei zugänglich. Obessive Beschäftigung mit diesen Objekten bietet ein klares Warnsignal, das zu Ignorieren ein größeres gemeinsames Wegschauen vom sozialen Umfeld erfordert als eine vollkommen im Stillen schwelende Wut. Freiheiten, die äußere Anzeichen einer drohenden Tat ermutigen, helfen. Andererseits spricht viel für die Idee, jungen Männern jeglichen Zugang zu Schusswaffen zu versperren. Wenigstens solange wie sie in der verwundbarsten Phase ihrer Entwicklung stecken und ein einziger Ort, die Schule, über den Wert eines Mensches entscheidet. Auf jeden Amokschützen kommen viele ähnlich fühlende Sympathisanten mehr. Jugendliche, die niemals den finalen Schritt vollziehen, weil sie nicht weit genug getrieben, weil ihnen die Persönlichkeit eines Mörders fehlt, oder schlicht weil sie im Moment der Ohmacht nicht über den Waffenzugang und das Training verfügen, das so eine Tat erst ermöglicht.
Computerspieler dürfen in der Unantastbarkeit von Schützenvereinen Zuflucht suchen. Die gleiche Immunität liegt in ihrer Zukunft. Entweder früher, weil Amtsträger, die Mordgeräte als Sportgeräte verteidigen, das Recht verlieren, Ballerspiele als Killerspiele zu diffamieren. Oder später, sobald die Generation, die heute schon soviele Online-Spieler stellt wie der Deutsche Schützenbund Mitglieder zählt, ihre Nachfolge antritt. Zeit und Zahlen sind auf Seiten der Zocker. Und ob nun früher oder später, das Fazit wird gleich ausfallen: Ohne die die verstörende Konzentration auf Mädchen beim jüngsten Amoklauf, der Konsum von sogenannten Killerspielen wäre etwas, das Täter und Opfer verbindet, nicht was sie trennt - Depression, Hass, Ausgrenzung.
Ehe wir nicht in der Lage sind, die einzugesetehen, finden wir keine Erlösung von einer Medienlandschaft, die als erste Reaktion auf ein gräuliches Massaker danach ruft, Videospiel unter Strafe zu stellen, und das laut genug, um alternative Erklärungsvorschläge mit besseren Lösungschancen aus der Debatte zu verdrängen, die noch dazu in stundenlangen Sondernsendungen geführt wird, deren Verherrlichung des Mörders einen größeren Beitrag leistet, den nächsten labilen jugendlichen Schützen zu motivieren als sämtliche Dooms, Counterstrikes und Halos der Welt.
Ein kleiner Trost bis dahin: Ein guter Politiker ist leichter zu erkennen als der nächste Amokläufer. Den besonnenen Politiker erkennt ihr daran, dass er sich blindem Aktionismus verweigert. Den aufrechten Politiker erkennt ihr daran, dass sein blinder Aktionismus wenigstens das richtige Ziel trifft. Und den besonnenen und klugen Politiker erkennt ihr daran, dass er die Zensurschere lediglich aus der Schublade holt, um die Doppelzüngigkeit einer Diskussion zu beschneiden, die vorgibt, man könne durch Computerspiele lernen eine Waffe zu bedienen aber Sportschießen hätte niemals erfolgreichen Waffengebrauch mit Punkten belohnt.
Düsseldorf, 12. März 2009. Angaben zur Zahl der Online-Spieler in Deutschland von: http://helliwood.mind.de/vud_home/SID/1b416f3ce0cfff1c061a58661728219b/index.php?id=15. Zur Verbreitung von Computerspielern in der Bevölkerung siehe: http://de.statista.com/statistik/diagramm/studie/30395/filter/30007/fcode/1,2/umfrage/videospiele-computerspiele-spielen-in-der-freizeit.
Donnerstag, 12. März 2009
Ahnungslosigkeit auch bei der dritten Wiederholung
- Wenn die Fernsehsender unbedingt Sondersendungen zu einem Amoklauf in einer Schule zeigen wollen, sollten sie die Zeit damit verbringen, uns über die Opfer zu erzählen, nicht über den Täter.
- Natürlich lebte der Täter in einem geregelten Umfeld, in einer guten Nachbarschaft, in ordentlichen bürgerlichen Verhältnissen. Wäre er in einem Ghetto aufgewachsen, mit täglichen Schlägereien und Straßenkriminalität, wäre sein Aggressionspotential nicht erst in einem Amoklauf ausgebrochen.
- Soweit ich feststellen kann erschallen von nirgendwo Rufe nach dem Verbot von Schützenvereinen, obwohl den Tätern von Erfurt und Winnenden gemeinsam ist, dass sie Mitglieder eines Schützenvereins waren. Der Deutsche Schützenverbund zählt 1,5 Millionen Mitglieder. So viele Computerspieler gibt es in Deutschland wenn man bloß die Online-Spieler zählt, offline sind es einige mehr. Diese anderthalb Millionen Menschen haben das Recht auf freie Ausübung ihres nur manchmal tödlichen Hobbies, aber jenen mehreren Millionen möchte man ein noch viel seltener gefährliches Hobby verbieten?
- Mehr als die Hälfte der deutschen Jugendlichen spielen in ihrer Freizeit am Computer oder vor der Konsole, davon knapp ein Drittel regelmäßig bis intensiv. Ballerspiele zählen zu den beliebtesten Genres. Höchstens einer von vier Jugendlichen hat noch nie einen Pixelmenschen auf dem Bildschirm getötet, die Wahrscheinlichkeit schrumpft bei männlichen Jugendlichen. Wären die Opfer des Schützen von Winnenden nicht vorwiegend Mädchen, würde der Konsum von Ballerspielen Täter und Opfer verbinden, nicht unterscheiden.
- Zusammenhang ist nicht gleich Ursache. Zufall beweist keine Schuld. Selbst falls eine Studie nachweisen würde, dass zwischen Videospielen und Gewaltausübung eine Wechselwirkung besteht (was bisher noch keiner gelungen ist), wäre noch nicht geklärt, in welche Richtung der Pfeil geht. Spielen Psychopathen Ballerspiele, weil Ballerspiele sie zu Psychopathen gemacht haben? Oder spielen Psychopathen Ballerspiele weil das nunmal die Art Freizeitbeschäftigung ist, die Psychopathen spielen würden? Anders gesagt: Wir schauen Pornos wegen unseres angeborenen Sexualtriebs, nicht weil die Pornos uns den Fortpflanzungsdrang erst einpflanzen.
- Ist jemand ernsthaft überzeugt, Musik, Videospiele, oder Filme hätten den kritischen Unterschied ausgemacht, der einen unbescholtenen Jugendlichen in einen Amokläufer verwandelte?
- Schonmal überlegt, warum all diese Amokjungs den Aufwand betreiben, sich in coole schwarze Klamotten zu schmeißen, obwohl sie sich am Ende selbst erschießen? Eben genau deswegen. Weil sie wissen, dass sie in den Tod gehen und sich dafür schick anziehen. Warum maskieren sich manche sogar, obwohl es ihnen vollkommen egal sein kann, ob man ihre Identität erkennt oder nicht? Weil sie wissen, dass ihre Namen sowieso unsterblich sind. Es geht nur um die Inszenierung.
- Eine einzige Stunde Fernsehsonderberichterstattung über den Mörder, mit selbstverherrlichenden Videos des gestörten Täters, mit Interviews der verängstigten Opfer, Bildern der Leichen oder heulenden Eltern, und endloser Wiederholung der Namen der Mörder von Erfurt und Columbine leistet einen größeren Beitrag den nächsten Amokläufer anzuspornen als alle Dooms, Counterstrikes und Rammsteins der Welt.
- Stichwort Rammstein, eins der gezeigten selbstgedrehten Amokläufer Videos war mit Rammstein Musik unterlegt. Wird man nach deren Zensur schreien wie man nach den Kopf von Marilyn Manson geschrien hat und nach dem von Bushido geschrieen hätte? Oder ist Rammstein zu etabliert, weil sie Erfolg haben und mit Preisen ausgezeichnet sind? Wenn ja, wo ist die Messlatte, die zu übertreffen ist? Denn es gibt eine Menge Ballerspiele die eine Menge mehr Exemplare verkaufen als die Musikindustrie Platten und mindestens genauso viele Branchenpreise einheimsen.
Dienstag, 10. Februar 2009
Der angeborene Gott
Jennifer Whitson of the University of Texas in Austin and Adam Galinsky of Northwestern University in Evanston, Illinois, asked people what patterns they could see in arrangements of dots or stock market information. Before asking, Whitson and Galinsky made half their participants feel a lack of control, either by giving them feedback unrelated to their performance or by having them recall experiences where they had lost control of a situation.The results were striking. The subjects who sensed a loss of control were much more likely to see patterns where there were none. "We were surprised that the phenomenon is as widespread as it is," Whitson says. What's going on, she suggests, is that when we feel a lack of control we fall back on superstitious ways of thinking. That would explain why religions enjoy a revival during hard times.
Das verrät uns nicht nur etwas darüber, wie Religion funktioniert, sondern sagt ebensoviel über Hellseher und Verschwörungstheorien aus. Dass Verschwörungstheorien ein Schutzmechanismus des Machtlosen sind war Thema eines früheren Blog-Posts. Und wer zählt zum Kundenkreis der Wahrsager wenn nicht Menschen, die die Kontrolle über Leben, Liebe und Beruf verloren haben?
Die Hilflosigkeit des Opfers ist der rote Faden, der die Gewänder aller Scharlatane verbindet. Diese und der traurige Umstand, dass die Hilfe bloße Einbildung ist.
Mittwoch, 4. Februar 2009
Benedict und Williamson
Samstag, 17. Januar 2009
Neues Jahr, neue Meinung
Ich trage drei Schichten Oberbekleidung, meine Hände werden sofort nach Tippen dieser Zeilen in dicke Handschuhe zurückgesteckt, und wäre ich im Besitz langer Unterhosen würde ich auch diese Demütigung über mich ergehen lassen. Aber das Schlottern hat auch gute Seiten. Der Abwasch wird sofort gemacht, anstatt stehen zu bleiben, weil jede Gelegenheit die Finger in heißes Wasser zu tauchen kostbar ist. Und auch das Lebensgefühl ist besser. Jeder neue Morgen, den ich nach frostiger Nacht noch einmal aufwachen darf und beim Blick aus dem Fenster keinen gestürzten Mann mit gebrochenem Nacken auf dem Bürgersteig erspähe ist ein guter Tag.