Freitag, 16. April 2010

WoW!

Die wichtigste Wirtschaftsmeldung des Tages, die in keiner Zeitung steht:

Blizzard Entertainment nimmt binnen vier Stunden zwei Millionen Dollar durch den Verkauf eines virtuellen Pferdes ein.

Im Vorfeld experimentierte der Computerspieleentwickler mit virtuellen Haustieren, von deren Erlös ein Teil an wohltätige Zwecke ging, und digitalen Gefährten, in deren Kaufpreis die Real Life Ausgabe in Plüschform zum Knuddeln und Anfassen enthalten war, um die Abonnenten von World of Warcraft an den Gedanken, für elektronische Güter Geld zu zahlen, zu gewöhnen. Aber das "Celestial Steed" markiert das erste Mal, dass Menschen in dieser Größenordnung - 25$ pro Download, Downloads im Wert von 500.000$ pro Stunden, bei nicht abreißender Nachfrage, gleich geschätzte sechs Millionen Dollar Umsatz oder mehr am ersten Tag für Blizzard - Geld für ein Produkt ausgeben, das keinen realen Gegenwert bietet. Selbst im Spiel zieht der Käufer keinen Nutzen aus dem 25$ Pferd. Reittiere sind in World of Warcraft für jeden erhältlich. Die einzige Besonderheit des Himmlischen Rosses ist dass es besonders funkelt.

Natürlich ist es nicht absolut neu, dass Menschen für einen virtuellen Wert Geld zahlen. Jeder stolzer Besitzer eines Ferraris hat einen Prozentsatz des Kaufpreises für das Privileg bezahlt, einen waschechten Ferrari fahren zu dürfen und nicht irgendeinen anderen, gleichermaßen roten, gleichermaßen schnellen, aber namenlosen Sportwagen. Und auch der Tausch von ideellen Gütern gegen echtes Geld ist keine Revolution. World of Warcraft Charactere werden auf Ebay angeboten, chinesische Spielestudios verkaufen virtuelle Waffen und Rüstungen an ihre Kunden, und Microsoft und Sony versuchen seit Jahren Downloadable Content als Geschäftsmodell der Zukunft auf dem Markt zu etablieren. Es ist die schier schwindelerregende Dimension von Blizzards Erfolg, die das "Celestial Steed" zum Meilenstein an dem Punkt der Straße, ab dem keine Umkehr mehr möglich ist, macht.

Fünfundzwanzig Dollar ist der halbe Preis eines vollwertigen Computerspiels. FÜR EIN PONY. Oder der Preis, den früher die Erweiterung für Blizzard Entertainments erfolgreiche Spiele "Diablo" und "Warcraft" kosteten. FÜR EIN SCHEIßGLITZERNDES HOTTE-HÜ! Fünfundzwanzig Dollar für ein Pferdchen, dessen Design vielleicht einen Tag und einen Programmierer benötigte! Verglichen mit dem Arbeitsaufwand ein komplettes Team für ein komplettes Spiel zu bezahlen...

Die Büchse der Pandora ist offen: Die Wettervorhersage lautet Schneesturm von hier bis ans Ende der Welt.

Montag, 12. April 2010

Wer braucht schon ScriptFrenzy?

Überarbeitung des Drehbuchs zu "Yard": Begonnen während der Pilotfolge von Countdown - Abgeschlossen beim Seriendebüt von Der Letzte Bulle. Gibt es auf der Welt einen besseren Motivator als schlecht geschriebenes deutsches Fernsehen?

Montag, 15. März 2010

Pornos, Papst & Buchpromotion

Ich habe mich bislang dagegen gewehrt, den jüngsten Skandal in der Katholischen Kirche, der ihre Langzeitkritiker wie eine Süßigkeit lockt, zu kommentieren. Nicht nur weil hinlänglich bekannt ist, was mit jungen Menschen passiert, die von Katholiken Süßigkeiten annehmen. Einerseits reiße ich mich prinzipiell zusammen, wann immer ich den Impuls "Ich hab's Euch doch gesagt" zu rufen verspüre. Andererseits überkommt selbst die aufgeweckteste Person bald dröge Müdigkeit, wenn Debattenrunden über den möglichen Zusammenhang zwischen Zölibat und Kindesmissbrauch philosophieren und erst im Nachsatz das eigentliche Verbrechen, das direkt vor der Nase liegt, anschneiden, nämlich die systematische Vertuschung und Befähigung der Vergwaltigung von Kindern.

Bis heute als mir bei Lektüre, die mit den Missbrauchsfällen nichts zu tun hatte, ein Nebensatz im Hals stecken blieb. Diese ungemütliche Information aus einem Artikel über Pornographie:

Despite the widespread and increasing availability of sexually explicit materials, according to national FBI Department of Justice statistics, the incidence of rape declined markedly from 1975 to 1995. This was particularly seen in the age categories 20–24 and 25–34, the people most likely to use the Internet. The best known of these national studies are those of Berl Kutchinsky, who studied Denmark, Sweden, West Germany, and the United States in the 1970s and 1980s. He showed that for the years from approximately 1964 to 1984, as the amount of pornography increasingly became available, the rate of rapes in these countries either decreased or remained relatively level. Later research has shown parallel findings in every other country examined, including Japan, Croatia, China, Poland, Finland, and the Czech Republic. In the United States there has been a consistent decline in rape over the last 2 decades, and in those countries that allowed for the possession of child pornography, child sex abuse has declined. Significantly, no community in the United States has ever voted to ban adult access to sexually explicit material. The only feature of a community standard that holds is an intolerance for materials in which minors are involved as participants or consumers.

In terms of the use of pornography by sex offenders, the police sometimes suggest that a high percentage of sex offenders are found to have used pornography. This is meaningless, since most men have at some time used pornography. Looking closer, Michael Goldstein and Harold Kant found that rapists were more likely than nonrapists in the prison population to have been punished for looking at pornography while a youngster, while other research has shown that incarcerated nonrapists had seen more pornography, and seen it at an earlier age, than rapists. What does correlate highly with sex offense is a strict, repressive religious upbringing.
Unter großem Vorbehalt: Die Regel, dass Zusammenhang noch keine Ursächlichkeit beweist, gilt für die Kinderpornographie-Statistiken und für die negative Korrelation zwischen Pornographie und Vergewaltigung überhaut. Außerdem verletzt die Produktion von Kinderpornographie Kinder, selbst wenn der Effekt des Konsums von Kinderpornographie positiv wäre. Trotzdem bleibt nach dem ersten torkelndem Entsetzen über den Inhalt des Artikels flaue Ernüchterung, angesichts dessen, dass ein US-Amerikaner aufgrund des Besitzes von gezeichneter Kinderpornographie ein halbes Jahr in den Knast gesteckt wurde.

Zu guter Letzt ist dies mein umständlicher Weg um einer Freundin für ihren eigenen Beitrag zur Senkung der weltweiten Vergewaltigungsstatistik zu gratulieren: Herzlichen Glückwunsch an die Liebessklavin zur Veröffentlichung!

Donnerstag, 18. Februar 2010

Weisheiten der sekündlich Sterbenden

"I believe that if, at the end of it all, according to our abilities, we have done something to make others a little happier, and something to make ourselves a little happier, that is about the best we can do. To make others less happy is a crime. To make ourselves unhappy is where all crime starts."

--- Roger Ebert, vom Krebs seiner Stimme beraubt

Mittwoch, 23. Dezember 2009

Ein Plädoyer für die Wii

Da ich das Thema Videospiele einmal angeschnitten habe...

10 Gründe Warum Wii Würdig Ist

Ich bin kein Zocker. Ich bedarf keiner unnachgiebigen Diät von einem Spitzenspiel per Monat, oder einem neuen Titel per Woche. Zehn Spiele, die das Hobby in seiner Fülle zelebrieren, die Grenzen des Mediums ausloten, Innovationen wagen und Revolutionen starten, und zu denen ich Jahre später mit der gleicher Freude zurückkehre, die ich verspürte, als die Disc zum ersten Mal in Laufwerk summte, sind mir über die Lebenszeit einer Konsole gerechnet mehr als genug. Nicht dass ich es im Einzelfall nachgerechnet hätte, aber mich würde überraschen, wenn die meisten Konsolen auf zehn Spiele kommen.

Hier die Liste der Gründe, warum die Wii Next Generation-er als die Next Generation ist.


1. Wii Sports

Wii Sports begann als Controller-Demo, bevor Nintendo feststellte, dass geladene Pressevertreter soviel Spaß am Spiel fanden, dass man beschloss, Wii Sports jeder verkauften Nintendo Wii beizulegen. Von dort an traten Wii und Wii Sports ihren Siegeszug um die Welt an. Wii Sports ist eine erstaunliche Errungenschaft: Der sehr beinahe grafisch unaufwendigste Multimillionenseller seit Pong mit dem wahrscheinlich astronomischsten Verhältnis von in die Entwicklung investierten Dollars zu eingespültem Vermögen schnitt in die öffentliche Wahrnehmung wie zuvor höchstens die größten Kassenschlager Hollywoods. Das erste Videospiel, das bei den Oscars auftrat. Wii Sports ist Wiis erster Proof of Concept und wäre es der letzte geblieben, wäre doch nicht mehr nötig gewesen, um Nintendos waghalsigen Sprung vorwärts zurück auf Anfang zu rechtfertigen.


2. Pro Evolution Soccer

Es gibt kein besseres Beispiel für das, was ein Wii Spiel darstellen sollte, als Pro Evolution Soccer. Angefangen mit der 2008 Edition der jährlich neu erscheinenden Fußballsimulation stellte Konami ein Team zusammen, dass ausschließlich für die Wii entwickelte und die Freiheit besaß, etablierte Konventionen des Genres über Bord zu werfen, wo sie nicht länger passten oder die Wii bessere Lösungsmöglichkeiten bot. Zu einer Zeit als Fußballspiele auf anderen Konsolen stagnierten, baute das PES Wii Team einen völlig neuen Ansatz um das Potential der Wii Steuerung. Pässe durften, dank dem wie ein Mauszeiger benutztem Cursor, beliebig in den freien Raum platziert werden, nicht-ballführende Spieler wie Männchen in einem Echtzeitstrategiespiel in bessere Position gebracht. Aus einem Zweikämpfe der Superstars betonendem Action-Spiel wurde über Nacht die realistische Abbildung eines Teamsports in allen Finessen des Zusammenspiels und des Rasenschach-artigen Verschiebens von elf Figuren in die von elf anderen Figuren gelassenen Lücken. Die Entwickler von Pro Evolution Soccer für die Wii vollbrachten, was für viele andere Sportarten und Spielgenres hätte vollbracht werden können, aber wenige wagten. Sie erfanden das Spiel neu. PES bietet ein einzigartiges Spielerlebnis, das so nur auf der Wii möglich ist.


3. Super Mario Galaxy

Mario Galaxy ist ein fantastisches, spaßsprudelndes, ideenschäumendes Abenteuer in einer bunten, quietschfidelen und schwindelerregenden Welt. Es ist ein ungetrübtes Vergnügen und das Beste, das ein Videospiel sein kann. Und es existiert als perfekte Erwiderung auf die oft geäußerte Behauptung, die Wii hätte visuelle Weiterentwicklung und altbewährte, absolut fehlerfrei funktionierende Steuerungsmöglichkeiten zugunsten einer neuen, unausgegorenen Bewegungssensorentechnik aufgegeben. Mario Galaxy ist ein Videospiel für Fans von Videospielen. Die Steuerung ist klassisch, der Gebrauch der Wii Remote Features minimal, die Grafik eine Traumlandschaft in leuchtenden, klaren Farben. Es sieht nicht weniger hübsch aus weil es auf der Wii ist, und es ließe sich auf PS3 und XBox 360 kein Stück besser steuern.


4. Grand Slam Tennis

Tiger Woods PGA Tour 10 war eines von zwei Dritthersteller-Produkten denen zur Veröffentlichung von Nintendos verbesserter 1:1 Bewegungsübertragung der neue Remote-Zusatz beilag. Das andere Spiel war Grand Slam Tennis. Bei beiden handelte es sich um Produkte von Electronic Arts und bei GTS hat sich EA ganz EA-untypische Mühe gegeben, ein neues, für die Wii maßgeschneidertes und mit Leckerli liebevoll zugestopftes Franchise aus dem Boden zu stampfen. Das Wii Publikum erhielt Roger Federer und Rafael Nadal die gegen Legenden wie Boris Becker und John McEnroe antraten, einen Karrieremodus, in dem man einen eigenen Spieler erschuf, ihn mit einem Tennisstil und Stärken und Schwächen ausstattete und ihn Markendesigner Outfits einkleidete, und das Debüt von Wimbledon in einem Videospiel. Der Online-Modus litt an schlechtem Balancing zwischen vorgefertigten Profis und selbsterstellten Charakteren und zwischen Serve and Volley Spielern und allen anderen Stilarten, doch die Formel von GTS ging auf. Spiel, Satz und Sieg und andere Klischees. EA lieferte eine noch nie dagwesene Tennissimulation, die den Spieler auf den Platz versetzte, seine Schläge von den Schwüngen der Fernbedienung ablas, ihm erlaubte die Bälle genau dort zu platzieren wo er sie haben wollte und ihm dadurch sowohl die Genugtuung eines gekonnten Longline Winners und die Höllenqual eines unforced errors erleben ließ und ganz nebenbei den ein oder anderen glänzenden Schweißtropfen auf manch knallrote Stirn trieb.


5. Tiger Woods PGA Tour 10

Ich habe Tiger Woods PGA Tour 10 nicht gekauft. Aber wie ich hörte, soll es besser sein als Grand Slam Tennis. Lasst Euch also nicht abhalten, die Platzierungen von PGA und GTS zu tauschen, falls ihr das Spiel, das Wii Sports Golf ersetzte, dem Spiel, das auf Wii Sports Tennis aufbaute, vorzieht.


6. Mario Kart Wii

Die Mario Kart Serie ist die Definition von Spaß und Schadenfreude, und Mario Kart Wii ist der beste Teil der Serie. Besser als Mario Kart 64. Besser als Mario Kart Double Dash. Besser als das heiß gepriesene Mario Kart DS. Die Essenz pursten, reinsten, herzerquickendsten Vergnügens ist so frisch wie beim Erscheinen des allersten Mario Karts im Jahre 1993, als ich und mein Bruder, 11 und 9 Jahre alt, und Freunde die Rennbahnen des Pilzkönigreichs in chaotische Schlachtfelder verwandelten, Schildkrötenpanzer in rauchenden Knalleffekten explodierten, Blitze vom Himmel uneinholbar Führende in den Kopf trafen und Klempner das Fliegen lernten. Die Steuerung durch ein Plastiklenkrad, in das man die Wii Fernbedienung einsetzt, und dann wie ein echtes Kartlenkrad zum Steuern seiner virtuellen Karosse herumreißt und dreht, ist ein Hauptgrund, warum die Mario Kart Mischung wieder aufgeht, erlaubt sie Nintendo doch, noch mehr als je zuvor, Spieler egal welchen Alters und Erfahrung vor die Konsole zu locken und in ein Kräftemessen zu verstricken, in dem jeder Gelegenheit erhält, das triumphale Gefühl eines gegen alle Wahrscheinlichkeiten und Widerstände der besten Freunde errungenen Sieges zu genießen, aber genauso auch die Schmach binnen Sekunden vom strahlenden Gewinner zum Träger der roten Laterne zu schlittern. Trotz dieser uneinschüchternden Einsteigerfreundlichkeit und dem generösen "Jeder kann gewinnen, die besseren nur ein wenig öfter" Geistes der Serie, bewahrt Mario Kart ein hohes Herausforderungslevel für den geübten Spieler und für solche Anfänger, die sich an schwierigeren Kursen messen wollen, nachdem sie einmal gelernt haben, wie man eine flotte Gummispur auf dem Parcour hinterlässt.


7. New Super Mario Bros. Wii

(wird ergänzt wenn ich meine Kopie des Spiels aus dem Weihnachtspapier gerissen und bis ans Ende durchgespielt habe, vorab nur soviel: Mario ist das platonische Ideal eines Videospiels.)


8. The Next Legend Of Zelda

Reserviert für Links erstes von Grund auf für die Wii entwickelte Abenteuer. Miyamoto Erbarme Dich!


9. My Sims

My Sims fände keinen Platz auf einer Liste der zehn besten Spiele auf der Wii. Oder der besten zwanzig. Oder der besten dreißig. Selbst die Top 40 wären wackelig. Dafür besitzt es zu viele Mängel und zu wenig Qualität. Es ist ein Spiel über Kreativität, das den Spieler zwingt, monotome Arbeiten zu erledigen. Der nachhaltige Verdienst von My Sims lag darin zu zeigen, dass die Wii Fernbedienung + Nunchuck Kombination erlaubt, nicht nur Arten von Spielen zu steuern, die mit einem klassischem Controller nicht möglich wären, und sie so gut zu steuern wie mit einer Computermaus, sondern sie sogar besser zu steuern als mit der Maus. Der Möbelbastelmodus von My Sims wäre mit einer Maus weder so kinderleicht zu bedienen, noch so genugtuend taktil, wie mit der Wii Konfiguration.


10. A Game I Haven't Played (Yet)

Mir fallen eine Reihe Titel ein, die ich nicht gespielt habe. De Blob, Muramasa, Boom Blox, Lost Winds, Zack & Wiki, Metroid Prime 3, Little King's Story, World of Goo. Jedes der genannten Spiele könnte einen Platz in dieser Liste verdient haben, sehr wahrscheinlich sogar weiter oben als auf zehnten Platz. Nummer 10 ist ein Platzhalter, für großartige Spiele, die übersehen wurden, und - da wir bei weitem nicht am Ende der Lebensspanne der aktuellen Konsolengeneration angelangt sind - für großartige Spiele, die noch kommen werden.

Dienstag, 22. Dezember 2009

Es waren einmal... Meisterliche Anfänge

Der folgende Eintrag verdankt seine Existenz zwei Sachen die ich las und sah, und die eine Parallele aufwarfen, die ich zuvor niemals bedacht hatte.

Es geht um Anfänge und die wichtige Rolle, die sie in zwei Meisterwerken sehr unterschiedlicher Art spielen.


Star Wars: A New Hope eröffnet mit dem Blick auf ein Raumschiff der Rebellen das von einem imperialem Sternenzerstörer verfolgt wird. Die Sicht auf das Rebellenschiff wird vom Sternenzerstörer verdeckt noch ehe es im schwarzen Nichts des Alls verschwinden kann. In einer einzigen Einstellung lernen wir nicht nur, dass die Rebellen auf der Flucht sind und das Imperium der Aggressor ist, dem Zuschauer wird vor allem das Kräfteverhältnis zwischen den Helden und den Bösewichten drastisch vor Augen geführt: Das Rebellenschiff ist winzig - Der imperiale Sternenzerstörer ist riesig. Atemberaubend riesig. Lächerlich riesig. Es vergeht schockierend viel Zeit ehe er sich in ganzer Länge ins Bild geschoben hat und den Zuschauer bei Ansicht seiner Rückseite erleichtert aufatmen lässt. Dass der Sternenzerstörer sich von oben nach unten ins Bild schiebt ist eine bewusste, visuelle Entscheidung der Filmemacher. So drückt sein massiges Gewicht auf den Rebellenkreuzer und den Planeten und die Sterne, die für wenige Augenblicke allein und friedlich im Raum schwebten. Nach 40 Sekunden Film, in denen kein Wort gesprochen wird, wissen wir: Das Imperium ist ein Unterdrücker und sein Arm reicht lang und weit.


Super Mario Bros. etablierte das Genre des Jump'n'Run Spiels. Das grundlegende Konzept besteht darin, dass der Spieler gewinnt, indem er von links nach rechts läuft und über Gegner hinweg springt. Der erste Bildschirm, den der neue Spieler zu Gesicht bekommt, zeigt Mario am linken Rand stehend und eine weite offene blaue Fläche rechts von ihm. Ohne dass dem Spieler eine ausdrückliche Anweisung erteilt werden muss, bewegt er sich nach rechts in die freie Fläche und lernt den ersten Grundbestandteil des Konzepts.

Nach den ersten vorsichtigen Schritten ist der Spieler mit einem neuen Anblick konfrontiert. Einem in der Luft schwebendem Fragezeichenblock und einem fies dreinschauendem Etwas, das sich auf ihn zubewegt. Wenn der Spieler in das fies dreinschauende Etwas rennt, stirbt er und verliert einen Versuch und hat gelernt, dass Wesen, die sich auf ihn zubewegen schlechte Nachrichten sind. Man beachte, dass der erste Gegner, dem der Spieler begegnet sich von rechts nach links bewegt, während Marios Ziel ist, von links nach rechts zu kommen. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Widersacher. Fragezeichenblöcke hingegen sind Verbündete. Sie enthalten für den Spieler nützliche Gegenstände. Das Fragezeichen soll ihn neugierig machen, was sich im Block verbirgt. Wenn das nicht reicht, ist der erste Fragezeichenblock im Spiel so platziert, dass die Chance besteht, dass Mario beim Versuch über den Gegner zu springen, mit dem Kopf an die Unterseite des Blockes stößt und eine Goldmünze erhält. Der Spieler lernt: Wenn ich von unten gegen Blöcke springe passiert etwas. Und wenn der Spieler Glück hat landet er, dadurch dass sein Sprung durch das Stoßen an den Block verkürzt wird, auf dem Kopf des Gegners, der dadurch besiegt wird. Der Spieler lernt: Ich schalte Gegner aus, indem ich auf sie drauf springe. Die Sprungtaste ist Marios Methode mit der Spielwelt zu interagieren.

Das nächste, das den Spieler erwartet, ist eine Reihe von Blöcken. Gegen die Ziegelsteinblöcke zu springen richtet nichts aus. Aber aus einem der vertrauten Fragezeichenblöcke kommt ein Fliegenpilz. Das ist neu. Zuerst bewegt der Pilz sich von links nach rechts, auf der Blockreihe entlang, doch dann fällt er nach unten und läuft gegen die grüne Röhre. Und ändert die Richtung. Plötzlich bewegt er sich auf den Spieler zu (die Richtungsänderung beim Treffen auf Röhren wird später im Spiel von Gegnern und von Schildkrötenpanzer, die Mario als Waffe werfen kann, kopiert), von links nach rechts. Das könnte schlechtes bedeuten. Bisher haben sich nur Feinde auf den Spieler zubewegt. Und Fliegenpilze können bekanntlich giftig sein. Die Macher von Super Mario Bros. waren sich dessen bewusst, deswegen machten sie es dem Spieler extra schwer, dem Pilz auszuweichen. Mario steht unter einer Reihe Blöcken, die ihm die Möglichkeit der Situation durch einen Sprung, mit dem bisher jedes Problem zu lösen war, zu entkommen blockieren. Versucht der Spieler trotzdem zu hüpfen, ist es so angelegt, dass er mit dem Kopf gegen einen Block stößt und mit dem Pilz in Berührung kommt. Dann aber stellt er fest: Der Pilz schadet mir nicht. Er macht Mario größer! Und stärker! Wenn Mario jetzt gegen einen Ziegelsteinblock springt, zerschmettert er ihn. Pilze sind also ziemlich toll und ich sollte sie einsammeln wann immer ich einen sehen. Und der Witz an der Sache: Der erste Fliegenpilz ist der einzige im gesamten Spiel, der sich auf Mario zubewegt, alle weiteren Pilze werden sich vom Spieler wegbewegen, in einem Tempo das ein wenig langsamer ist als die Laufgeschwindigkeit von Mario, und müssen gejagt und eingefangen werden. Der Pilz ist die begehrte Belohnung für das spaßigste und einfachste aller Kinderspiele, das Fangenspielen.

In Super Mario Bros. Echtzeit dauert all dies zwanzig Sekunden. Nach zwanzig Sekunden versteht der Spieler, wie die Welt von Mario funktioniert und was er zu tun hat.

Der Umstand, dass es weder beim Anfang von George Lucas "Star Wars" (1977) noch beim Anfang von Shigeru Miyamotos "Super Mario Bros" (1985) um die Story geht (der Plot der ersten Szene von ANH ist, dass ein Sternenzerstörer auf ein Rebellenschiff feuert), sondern darum die Regeln der Welt zu etablieren, erspart uns die leidige Diskussion ob Videospiele nur Kunst sein können wenn sie eine würdige Geschichte erzählen, und ermöglicht den fairen Vergleich. In beiden Werken sind wir Zeugen von Meistern ihres Fachs. Und in einer Gegenüberstellung wie dieser würde ich die Summe der gewissenhaften Überlegung und Kreativität, die in die ersten zwanzig Spielsekunden von Super Mario Bros. floss jederzeit und ohne Zögern gegen das absolut Beste aus anderen Medien stellen.

Samstag, 19. Dezember 2009

Atheistische Spiritualität

Ich liebäugel seit einer Weile mit der Idee, Einträge zu posten, die auf die Behauptung, Atheismus könne niemals große Kunst inspirieren, antworten. Beispiele von nicht-religiösen Hymnen, säkularer Poesie, gottloser Spiritualität und zutiefst ergreifenden Testamenten der Menschlichkeit, die zeigen, wie der von Gott befreite Geist in die höheren Gefilde von Schönheit und Erhabenheit strebt.

Ich hatte nur nicht damit gerechnet, was mich letztzendlich dazu bringt, das Vorhaben in die Tat umzusetzen:



Natürlich ist es lächerlich zu behaupten, allein Religion würde Kunst schaffen, schließlich ist das gesamte künstlerische Feld des Humors seit jeher Domäne der Gottlosen, Lästerer und Zweifler. Insofern ist es nur recht und billig, dass ein Komiker die Liste anführt. Und dass es ein sentimentales, bewegend ehrliches Weihnachtslied ist... nun ja, was soll ich zu meiner Entschuldigung sagen. Niemand von uns weiß im Voraus, was ihn schon im nächsten Augenblick zu Tränen rühren wird.